Was bedeutet Putins Besuch in Belgrad?
Russlands Präsident Putin und sein serbischer Amtskollege Aleksandar Vučić haben vergangene Woche in Belgrad ihren Zusammenhalt demonstriert. Bei dem Treffen ging es unter anderem um gemeinsame Infrastrukturprojekte und eine Zusammenarbeit im Energiesektor. Doch für beide Seiten ist eine Kooperation auch aus ganz anderen Gründen wichtig.
Treffen nutzt beiden Seiten
Warum beide Staatschefs etwas von dieser Visite haben, erklärt Jutarnji list:
„Putin kam, um Vučić zu unterstützen. Denn dieser sieht sich momentan Protesten gegenüber und steht vermutlich vor vorgezogenen Neuwahlen. ... Putin hingegen hat sich von der serbischen Loyalität überzeugt. Denn die braucht er, um zu zeigen, dass Russland in der Region eine starke Basis hat in Zeiten, in denen für ihn die Dinge auf dem Balkan außer Kontrolle geraten: Montenegro ist in der Nato, (Nord-)Mazedonien auf dem Weg dorthin und auch Bosnien und Herzegowina möchten zumindest in Teilen dem Bündnis beitreten.“
Putin will Serbien vom Westen fernhalten
Bei der Pflege seiner Beziehungen zu Serbien geht es Russland vorrangig um geopolitische Überlegungen, kommentiert Republic:
„Im Vergleich zu anderen Ländern der Region mag die serbische Politik prorussischer wirken. (Nicht umsonst zeigt sich Vučić als Meister der demonstrativen Russophilie.) Doch realistisch betrachtet ist die serbische Politik weithin mit der EU und Washington abgestimmt, denen Vučić mit nicht weniger Nachdruck demonstriert, dass er nicht kremltreu ist. Moskaus Vertreter versuchen Belgrad immer nachdrücklicher klar zu machen, dass Serbien von einem EU-Beitritt nichts hätte. Noch wichtiger ist für den Kreml, die in den 2000er Jahren begonnene Annäherung Serbiens an die Nato zu stoppen. ... Der Kreml braucht ein 'Anti-Nato'-Serbien, um zu zeigen, dass er in Europa noch Verbündete hat.“
Vučić will von Strahlkraft profitieren
Vučić hat den Besuch Putins dazu genutzt, von den anhaltenden Protesten gegen ihn abzulenken, glaubt Večer:
„Am Abend haben rund 120.000 Menschen, die Vučić mit Bussen aus ganz Serbien hat bringen lassen, den politischen Superstar aus Russland vor dem Dom des Heiligen Sava begrüßt. So hat der immer stärker autokratisch regierende Präsident Serbiens versucht, im Glanze des Putin'schen Ruhms die Massendemonstrationen gegen sein Regime und die Kontrolle der Medien zunichte zu machen. Doch Putin ist in Serbien nicht nur populär. In der Provinz Vojvodina haben das gestern die Aufschriften 'Putin go home' gezeigt.“
Moskau hat mehr zu bieten als Brüssel
Die fehlende EU-Beitrittsperspektive erklärt, warum Wladimir Putin in Serbien so begeistert empfangen wurde, analysiert The Times:
„Die EU wird von internen Problemen geplagt, die die Lust der Öffentlichkeit auf neue Mitglieder schmälern. Gleichzeitig achtet die EU vermehrt darauf, dass rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten werden. Damit reagiert sie auf die Rückschritte früherer Neumitglieder. Das hat die Ansprüche an mögliche Neuzugänge erhöht. Ein Bericht der EU-Kommission vom vergangenen Jahr fand in den sechs Westbalkanstaaten 'klare Beweise für eine Unterwanderung des Staates und Verbindungen zu organisiertem Verbrechen auf allen Regierungsebenen'. Auf die autoritären Staatslenker in der Region, darunter Serbiens Präsident Aleksandar Vučić, gegen den es in den vergangenen Wochen Massenproteste gab, wirkt Putin als der verlässlichere Partner.“