Comeback für die Linke?
Um populäre linke Parteien wie Syriza oder Podemos ist es zuletzt still geworden. Der Diskurs wurde dominiert von der Debatte über den Aufstieg der Rechtspopulisten. Doch im Jahr der Europawahl und angesichts des beginnenden Wahlkampfes in den USA fragen sich Journalisten zunehmend, ob linke Politik eine neue Blüte erleben wird.
Rechte Populisten können nicht liefern
Die Zeit der Linken wird bald kommen, prognostiziert Kolumnist Wolfgang Münchau in Financial Times:
„Im Moment profitiert die Rechte vom Backlash beim Thema Zuwanderung. ... Doch ich denke, dass bald andere Themen bedeutsamer werden. Zu diesen zählen der Einfluss von künstlicher Intelligenz auf die Lebensgrundlage der Mittelklasse, die Zunahme von Armut und wirtschaftliche Verwerfungen aufgrund des Klimawandels. Ein solches politisches Umfeld begünstigt die radikale Linke gegenüber der radikalen Rechten. Letztere kümmert sich nicht um Armut, und ihre politischen Parteien sind voll von Klimawandel-Leugnern. Einige rechte Populisten mögen die Sprache der Arbeiterklasse sprechen. Doch die Linke wird eher imstande sein, zu liefern.“
Sozialdemokratischer Cocktail schmeckt den Wählern
Anstatt auf Populismus zu setzen, sollte die Linke lieber linke Politik machen, schreibt Jan-Werner Müller, Professor für Politik an der Universität Princeton, im Tagesspiegel:
„Die Linke hatte bisher Erfolg, wenn sie klare Alternativen zu Fragen wie der Wohnungspolitik und der Finanzregulierung angeboten hat, und nicht, wenn sie sich auf 'das Volk' (oder gar 'die Nation') berufen hat. Man denke zum Beispiel an den Vorsitzenden der britischen Labour Party Jeremy Corbyn, und an Bernie Sanders, den unabhängigen Senator, der 2016 bei den Vorwahlen der Demokraten zur US-Präsidentschaftswahl eine Basiskampagne gegen Hillary Clinton anführte und sich für 2020 erneut um die Kandidatur bemüht. Was diese Leute vorschlagen, ist kein 'Sozialismus', sondern ein sozialdemokratischer Cocktail, der all jenen gefallen könnte, die von Pepsi, Coke und all den anderen neoliberalen Plörren im Angebot genug haben.“
Katerstimmung nach der Party
Ganz anders schätzt hingegen L'Opinion die Lage ein:
„Der von Syriza vollzogene Umschwung auf die herrschende Finanzdoktrin hat Griechenland erlaubt, in der EU zu bleiben. Die griechische Wirtschaft kommt wieder in Schwung, doch die Partei von Alexis Tsipras liegt in Umfragen aktuell hinter den Konservativen. In Spanien spitzt sich die Krise von Podemos immer weiter zu. Nationalistische Bestrebungen, die Demagogie der Vorwahlversammlungen und die Schwierigkeit, von der Kritik zu Vorschlägen überzugehen, zerreißen die Partei. In Frankreich hat die Partei von Jean-Luc Mélenchon wegen der beunruhigenden Launen ihres Chefs und vor allem aus Mangel an einem Programm, das über Protesthaltungen hinausgeht, an Attraktivität eingebüßt. Wie Césareo Rodríguez-Aguilera de Prat, Politikprofessor aus Barcelona, schreibt, 'sammeln sich die Proteststimmen bei Marine Le Pen, nicht bei der alternativen Linken.'“