Kann der Mensch das Artensterben stoppen?
Rund eine Million Pflanzen- und Tierarten sind vom Aussterben bedroht. Mit dieser Zahl hat der Weltbiodiversitätsrat am Montag in Paris die Dringlichkeit seines ersten globalen Berichts unterstrichen. Der Mensch gefährde seine Lebensgrundlage, warnte der Vorsitzende der UN-Organisation, Robert Watson. Kommentatoren glauben zu wissen, was zu tun ist - nur nicht wie.
Schluss mit verfehlter Subventionspolitik
Was nötig wäre, um das Artensterben zu bremsen, erklärt die Süddeutsche Zeitung:
„An den Finanzmärkten müssten Investments vermehrt darauf überprüft werden, welche Wirkungen sie auf die Natur und Artenvielfalt haben - wie es in Sachen Klimaschutz gerade Schule macht. Es braucht auch im Artenschutz einen globalen Schutzvertrag wie das Pariser Klimaabkommen - mit der verbindlichen Abmachung, deutlich mehr Flächen weltweit unter Schutz zu stellen. Und das hieße zwingend, die europäische Agrarpolitik nicht länger auf Masse zu trimmen, sondern auf Nachhaltigkeit. Bei derzeit 60 Milliarden Euro Subventionen jährlich würde das eine Menge bewegen. Und ja: Auch die Zeiten billigen Fleischs müssen enden.“
Unsere Gier kennt keine Grenzen
Dass die Menschheit allerdings in der Lage ist, nun die nötigen Schritte zu gehen, bezweifelt Bert Wagendorp, Kolumnist bei De Volkskrant:
„Die gnadenlose Art und Weise, mit der der Homo sapiens den Planeten Erde ausbeutet und dabei andere Arten vertreibt oder ihren Lebensraum vernichtet, gab es in der Geschichte des Lebens noch nie. Unsere Erfindungsgabe und Raubgier kennen keine Grenzen. Und das Tempo, mit dem die drastische Vernichtung vonstatten geht, nimmt noch immer zu. ... Der Bericht ruft eigentlich nach einer neuen Art Mensch, befreit von Egoismus und Gewinnsucht, in nachhaltiger Harmonie mit der Natur. Er enthält auch eine Warnung: Die erforderliche Umkehr wird auf den Widerstand der 'etablierten Interessen innerhalb des heutigen Status quo stoßen'. Das steht fest. Und das macht mich nicht optimistischer.“
Es steht Mensch gegen Natur
Le Figaro hält Mensch und Natur im Moment gar für inkompatibel:
„Seien wir ehrlich und geben zu, dass wir voller Widersprüche sind: Wir wollen makellose Rasenflächen ohne Nattern und Maulwürfe, wir wollen Bienen zur Honigproduktion, doch wehe sie summen um unseren Kopf herum! Selbstverständlich bedarf es eines Bewusstseinswandels. ... Das globale Wachstum führt einen Teil der Menschheit aus der Unterentwicklung. Doch welchen Preis hat dies für die Umwelt? Wen wollen wir retten: den Menschen oder die Natur? Vor allem, da der Mensch auf die Natur angewiesen ist. ... Ein modernes Dilemma, das uns noch viel beschäftigen wird.“
Endlich wird global gedacht
Für Dagens Nyheter hingegen gibt es auch Grund zur Hoffnung:
„Dies ist ein durchdachter Bericht, hinter dem 130 Länder stehen. Und das ist positiv. Allzu oft wird sich auf das Individuum fokussiert und darauf, was der Einzelne falsch macht: Inlandsflüge sind schlecht, aber Schiffe sind noch schlechter, und wehe dem, der sich eine neue Jeans gönnt, denn die Textilindustrie verursacht einen größeren Schadstoffausstoß als Luft- und Schifffahrt zusammen. Alles ist schlecht und gefährlich. ... Im Grunde geht es aber doch um Gesetze und Regeln, um eine globale Übereinkunft. Und genau das ist jetzt das Positive: Jeder Staat, der einen Bericht unterschreibt, der besagt, dass die Lage akut ist, verpflichtet sich zum Handeln.“