USA brechen Angriff auf den Iran ab
Nach dem Abschuss einer US-Drohne am Persischen Golf durch die iranischen Revolutionsgarden ließ US-Präsident Trump Kampfflugzeuge aufsteigen, um iranische Raketensysteme anzugreifen. Im letzten Moment blies er den Angriff ab. Kommentatoren beobachten die angespannte Lage mit Sorge, analysieren Trumps Taktik und kritisieren die europäische Planlosigkeit.
EU kneift mal wieder
Für die EU ist der drohende Krieg weiter kein Thema, kritisiert Eric Bonse auf seinem Blog Lost in EUrope:
„Das verwundert, wenn man bedenkt, dass die EU mit Iran immer noch ein Atomabkommen hat und verspricht, das Iran-Geschäft trotz amerikanischer Drohungen aufrecht zu halten. Wenn es zum Krieg kommt, könnte die EU all das vergessen. Doch für mehr als ein paar wohlfeile Forderungen nach einer 'politischen Lösung' hat es beim Gipfel nicht gereicht. Dabei betonen Merkel & Co. doch sonst bei jeder Gelegenheit, man wolle bei 'großen Dingen groß' sein und endlich 'weltpolitikfähig' werden. Die Außenpolitik ist sogar ein Schwerpunkt in der 'Strategischen Agenda', die der Gipfel beschlossen hat. Doch wenn es ernst wird, kneift die EU.“
Unberechenbarkeit gehört zur Methode Trump
Hinter dem kurzfristig wieder zurückbeorderten Angriff steckt System, erkennt Večernji list:
„Dass Trump am Freitagmorgen zunächst den Angriff befahl, um ihn dann wieder abzublasen, bedeutet nicht, dass er den Krieg aufgegeben hat. Es handelt sich schließlich um den unvorhersehbarsten Politiker auf dem Planeten, der verschiedene Methoden nutzt, um an sein Ziel zu kommen. So ist 'Krieg ja, Krieg nein' nur noch eine weitere Facette seines vielfältigen Psychokrieges: Trumps Feind kann sich nie sicher sein, wann er von einem Raketeneinschlag erschüttert wird. Dabei steht hinter der kriegstreiberischen Twitter-Rhetorik des US-Präsidenten aber nicht unbedingt ein hirnrissiger Wunsch nach Krieg: Vor einem Jahr drohte er Kim Jong-un, um ihn danach als Freund zu bezeichnen.“
Die USA sollen sich da raushalten
Die USA haben keinen triftigen Grund, gegen den Iran Krieg zu führen, kritisiert Yeni Şafak:
„Der Iran bedroht die USA in keiner Weise, er hätte auch keine realistische geografische Nähe oder Macht dazu. Da sich die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurückgezogen haben, kann auch der Iran in dieser Angelegenheit handeln, wie er will. Die USA haben mit ihrem Ausstieg aus dem Atomabkommen ihre Position aufgegeben, sich in die iranischen Angelegenheit einzumischen. ... Auf der anderen Seite mag sich Israel von einem Iran bedroht fühlen, das Nuklearwaffen besitzt. Doch es ist für einen US-Präsidenten nicht so leicht, seinem eigenen Volk zu erklären, dass man einen Krieg gegen den Iran beginne, weil sich Israel bedroht fühle.“
Hoffentlich bleibt es bei Drohungen
Eine rasche Ausdehnung des Konflikts fürchtet Cristian Unteanu auf seinem Blog bei Adevărul:
„Die besorgniserregendste Nachricht scheint mir von Ali Schamchani zu kommen, dem Chef des nationalen iranischen Sicherheitsrats. Er brachte die Möglichkeit ins Spiel, dass sein Land Russland bitten könnte, einige S-400-Batterien [mobiles Luftabwehrsystem] und das nötige Personal zu liefern. Mit dieser Beteiligung würden sich die Spielregeln komplett verändern. Würde auf diese Weise ein Flugzeug der USA oder eines anderen Landes der Koalition abgeschossen, käme es automatisch zu schwerwiegenden Komplikationen. Hoffen wir, dass es nicht mehr als lautstarke Drohungen sind. Falls nicht, wird uns die Lage direkt betreffen, denn ein Angriff auf ein US-Flugzeug könnte eine mögliche Auslösung des Bündnisfalls laut Nato-Vertrag [Artikel 5] bedeuten.“
Eine ausweglose Situation
Wenig Hoffnung hat der Kolumnist der New York Times, Nicholas Kristof, in La Repubblica:
„Ein weiterer Nahostkrieg ist das Letzte, was wir brauchen. Der Abschuss der US-Drohne durch den Iran ist ein weiterer Hinweis dafür, dass Präsident Trump und der oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Khomenei, sich auf Kollisionskurs befinden. Beide beteuern, dass sie keinen Krieg wollen, doch sie stacheln sich gegenseitig an. Beide verhalten sich skrupellos, was das Risiko eines Konflikts erhöht. Was auch immer das Ergebnis dieser Krise wegen des Drohnen-Abschusses sein mag (wobei jede Seite sagt, dass die andere der Angreifer ist): Wir stehen möglicherweise vor einer ausweglosen Situation, in der es weder Trump noch Khomenei möglich sein könnte, das Gesicht zu wahren. Das wiederum könnte die Situation weiter verschlimmern.“
Gefahr massiver Vergeltungsmaßnahmen
Nun droht tatsächlich Krieg, fürchtet Polityka:
„Die Iraner haben ballistische Großraketen und wer weiß, ob sie diese nicht einsetzen werden, zum Beispiel gegen Israel, US-Stützpunkte in der Region oder den Rivalen Saudi-Arabien. Ein solcher Angriff birgt natürlich die Gefahr massiver Vergeltungsmaßnahmen und des Verlusts der internationalen Unterstützung, die ohnehin allmählich zusammenbricht. ... Wenn das iranische Regime wahnsinnig genug ist, um seine Raketen mit Atomsprengköpfen zu bestücken - falls es solche denn besitzt - wird die Welt in ihren Grundfesten erschüttert. Wir müssen auf alles vorbereitet sein, denn wir leben in unvorhersehbaren Zeiten.“
EU oder UN müssen deeskalieren
Der Konflikt schreit nach einem Vermittler, meint die Süddeutsche Zeitung:
„Sicher ist, dass Iran eine Drohne der USA abgeschossen hat. Das US-Kommando in der Region erklärt, die Drohne habe sich in neutralem Luftraum befunden. Dafür wird es hoffentlich Beweise geben. Üblicherweise liegen präzise Radaraufzeichnungen der Flüge vor. Die Sache sollte also zweifelsfrei zu klären sein. Ehe also die USA ihrerseits die schon angekündigte 'adäquate Antwort' geben und etwa Patrouillenboote der Revolutionsgarden versenken, sollten sie selbst einen Vermittler anrufen. Die Europäische Union böte sich an, weil sie im Nuklearkonflikt Äquidistanz hält. Noch besser wäre der UN-Generalsekretär.“