Neue Flüchtlingspolitik in der Türkei
Der Druck auf syrische Flüchtlinge in der Türkei wächst: Sind sie in anderen Regionen registriert, müssen sie bis zum 20. August Istanbul verlassen. Vergangene Woche soll es Abschiebungen auch in die noch immer schwer umkämpfte syrische Region Idlib gegeben haben. Menschenrechtler kritisieren, dass dies gegen internationales Recht verstoße. Doch in den Kommentarspalten findet sich viel Verständnis.
Ankara wurde vollkommen alleingelassen
Die Welt muss Nachsicht mit der Regierung in Ankara haben, findet die regierungstreue Tageszeitung Daily Sabah:
„Die jetzige Regierung hat sehr viel Verantwortung übernommen, aber da die weit verbreitete Propaganda immer effektiver wird, fangen jetzt auch die Unterstützer der AKP an, sich über die Einwanderer zu beschweren, was die AKP-Regierung in eine schwierige Situation bringt. ... Deshalb sollte die Welt, vor allem die EU, die schwierige Situation von Recep Tayyip Erdoğan und der türkischen Regierung verstehen. Die EU hat nie genug finanzielle Unterstützung geleistet. Die Türkei hat die versprochenen Summen nie erhalten, und sie hat versucht, die Last selbst zu schultern, aber es ist zu viel.“
Leistung der Türkei anerkennen
Der Türkei-Korrespondent des Handelsblatt, Ozan Demircan, macht auf die große Leistung aufmerksam, die die Türkei erbracht hat:
„Während Deutschland seit dem Jahr 2015 angesichts eines Flüchtlingszustroms in immer neue, teils elende Debatten zwischen Hilfsbereiten und Egoisten verfällt, hat die Türkei vier Millionen Menschen aufgenommen. ... Während in Deutschland die Bürokratie Menschen zur Langeweile verdammte, hat der türkische Staat den syrischen Gästen erlaubt, eine reguläre Arbeit ihrer Wahl aufzunehmen und kostenlos zum Arzt zu gehen. Während Deutschland 2016 ein kleines Wirtschaftswunder erlebte und jede helfende syrische Hand hätte gebrauchen können, hat die Türkei ein Putschversuch erschüttert und hätte schon mit sich selbst genug zu tun gehabt. ... Es ist kein Kniefall vor Erdoğan, wenn man die Leistung, diese Menschen aufzunehmen, respektvoll anerkennt.“
Flüchtlinge verändern die Demografie der Städte
In vielen türkischen Städten hat sich das Stadtbild durch die Syrer enorm verändert, beobachtet Kolumnist Mehmet Y. Yılmaz in T24:
„In Istanbul halten sich über 550.000 registrierte syrische Asylsuchende auf. ... In Gaziantep und Şanlıurfa ist jeder fünfte Einwohner Syrer. In Hatay liegt die Rate bei einem Viertel! ... Und Kilis! In dieser Stadt haben nur zwei von zehn Personen einen türkischen Personalausweis, acht sind Syrer! ... 1.685.000 syrische Flüchtlinge sind unter 18 und haben keinen Zugang zu Bildungsmöglichkeiten! Was, würden Sie sagen, steht der Türkei in naher Zukunft bevor? Ich beantworte das mal: hoffnungslose, verzweifelte Menschen, die keine Erwartungen mehr ans Leben haben!“