Fall Khashoggi: Bleibt der Mord ungesühnt?
Ein Jahr nach dem grausamen Mord am Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul hat Kronprinz Bin Salman in einem Interview die Verantwortung für die Tat übernommen. Er wies aber den Vorwurf zurück, die Ermordung in Auftrag gegeben zu haben. Kommentatoren ziehen Bilanz zur Reaktion der internationalen Gemeinschaft.
Kein Grab und keine Gerechtigkeit
Über eine lasche Reaktion auf den Mord klagt De Telegraaf:
„Der amerikanische Geheimdienst CIA meldete im vergangenen Jahr noch voller Überzeugung, dass Bin Salman hinter dem Mord steckte. Und der UN-Gesandte Callamard erklärte, dass der Kronprinz nicht einfach mit der politischen Liquidierung davon kommen dürfe. Dennoch ist nichts geschehen, um die Behörden in dem Ölstaat tatsächlich anzugehen. ... Die internationale Gemeinschaft schaut lieber weg und entscheidet sich für eigene Interessen. Ein Jahr nach dem Mord gibt es nicht nur kein anständiges Grab, sondern auch keine Gerechtigkeit.“
Konsequenzen müssen spürbar sein
Die internationale Gemeinschaft muss härtere Maßnahmen gegen Saudi-Arabien ergreifen, fordert auch die Süddeutsche Zeitung:
„Die arabische Zivilgesellschaft schreit nach Hilfe. Sie muss gestärkt werden. Es genügt nicht mehr, Inhaftierungen von Oppositionellen, Aktivisten und Journalisten am Rande ein bisschen zu kritisieren und dann zum Tagesgeschäft überzugehen. Vielmehr müssen Menschenrechtsverletzungen sanktioniert werden. Politische und wirtschaftliche Konsequenzen müssen spürbar sein. … Die Leichtigkeit, mit der Saudi-Arabien über … [die Grundsätze der Menschenrechte] hinweggeht, ... wirkt sich unmittelbar auf die Menschen in der Region aus, die Kritik an Autoritäten üben und damit ihr Leben aufs Spiel setzen. Sie hören eine zynische Botschaft: Danke für euren Mut, ... aber wir können euch leider nicht schützen.“
Deutsches Waffenembargo vorbildlich
Der Mord an Khashoggi hat vor allem auch Dank der Regierung in Berlin zu einem Umdenken bei Rüstungsexporten geführt, lobt hingegen Financial Times:
„Die europäische Verteidigungsindustrie muss mit den Kosten eines deutschen Waffenembargos gegen Saudi-Arabien zurechtkommen, das kurz nach Khashoggis Tod eingeführt wurde und vorerst weiterbesteht. Andere Regierungen beschränkten ihre Reaktion auf eine öffentliche Verurteilung, aber die deutsche Erfahrung ist heilsam. Ethische Fragen im Rahmen von Waffenexporten sind nicht länger nur Sache von Lobbygruppen. Es gibt eine breitere Welle öffentlichen Widerstands. Regierungen können nicht länger damit rechnen, ungestraft Waffen zu verkaufen, wenn sie das mit wirtschaftlichem Interesse rechtfertigen.“
Alles andere als ein Urlaubsparadies
Kurz vor dem Jahrestag des Mords hat die saudische Regierung angekündigt, das Land für Touristen öffnen zu wollen. Das wird wohl kaum zu einem Ansturm der Urlauber führen, meint Irish Examiner:
„Die Verteilung von Bibeln ist illegal, ebenso wie Ehebruch, Abfall vom Glauben, Teilnahme an öffentlichen Demonstrationen, der Verkauf von Alkohol oder Schweinefleisch und Kritik an der äußerst schlechten Bilanz des Königreichs bei der Achtung von Frauenrechten. Faire Gerichtsverfahren und Institutionen zur Verteidigung von Grundfreiheiten gibt es nicht, dafür warnt das irische Außenministerium, dass 'homosexuelles Verhalten' verboten sei. Enthaupten, Erhängen, Steinigen, Amputieren, Kreuzigen und Auspeitschen sind die Strafen für schwere Verbrechen. Das irische Außenministerium rät zu 'großer Vorsicht'. Klingt nach einem Traumziel, oder?“