Buschfeuer: Europäische Wende in Australien?
Die Buschbrände in Australien haben seit Oktober mindestens 27 Menschen und laut Schätzungen mehr als eine Milliarde Tiere das Leben gekostet. Premier Scott Morrison, der die Kohleindustrie bisher kategorisch verteidigt hatte, will nun doch CO2-senkende Maßnahmen einführen. Kommentatoren diskutieren, wie solche Katastrophen zukünftig verhindert werden können und welchen Einfluss Europa dabei ausüben kann.
Katastrophen öffnen uns die Augen
Je länger die Feuer in Australien lodern, desto mehr verlieren Klimawandel-Leugner an Glaubwürdigkeit, stellt Kolumnist Bert Wagendorp in De Volkskrant fest:
„Sogar Premier Scott Morrison plädiert jetzt für Maßnahmen, um den Ausstoß von CO2 einzuschränken, auch wenn das gegen die Interessen des größten Kohleexporteurs der Welt ist. Es gibt bereits seit Längerem Anzeichen dafür, dass Australien an vorderster Front des Klimawandels steht, zum Beispiel Sommertemperaturen von um die 50 Grad. Aber erst jetzt wächst in Down Under die Überzeugung, dass der Temperaturanstieg das Land nicht nur in Asche legt, sondern langsam aber sicher unbewohnbar macht. Vielleicht brauchen wir knallharte Katastrophen, bevor wir zugeben wollen, dass etwas gründlich schief läuft.“
Klimaschutz auch beim Handel hochhalten
Brüssel verhandelt seit 2018 mit Australien über ein Handelsabkommen. Der Umweltrechtler Nicolas de Sadeleer mahnt die EU in Le Soir, dabei ihre Grundwerte nicht zu verraten:
„Die Institutionen der Europäischen Union (im Unterschied zu Ceta sieht das künftige Handelsabkommen eine Exklusivkompetenz der EU vor) müssen darüber wachen, dass beide Partner die in den EU-Gründungsverträgen festgeschriebenen Werte achten. Dazu zählen auch Nachhaltigkeit und der Kampf gegen den Klimawandel. Es ist nun Aufgabe unseres Ministers für Internationalen Handel, der im EU-Ministerrat sitzt, sowie der EU-Abgeordneten, die schließlich über den Handelsvertrag abstimmen, darauf zu achten, dass diese Werte ernst genommen werden. Die Glaubwürdigkeit der neuen europäischen Politik des kürzlich präsentierten Green Deals steht auf dem Spiel.“
Grün gestrichene EU ohne Einfluss
Der Green Deal der EU-Kommission ist ohne konkrete Instrumente letztlich unglaubwürdig und deshalb ohne Strahlkraft, warnt Bernard Cassen, früherer Chefredakteur von Le Monde Diplomatique, in Le Courrier:
„Die Absicht ist lobenswert, steht aber im Widerspruch zu den Dogmen, auf der die EU basiert. Man kann nicht die Logik des Kapitalismus - selbst mit grünem Anstrich - des 'immer mehr' fördern und gleichzeitig einen gerechten und nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen der Erde, die im mathematischen Sinn 'endlich' sind. Man kann auch nicht auf sparsamen Energieverbrauch pochen und gleichzeitig Warentransporte durch Freihandelsverträge begünstigen. ... Die EU hat sich nicht die Mittel verliehen - insbesondere protektionistische Maßnahmen -, die es ihr erlauben würden, die angestrebte globale Rolle zu spielen. ... Sie muss sich entscheiden zwischen Neoliberalismus und dem Schutz des Planeten.“
Klimawandel lässt sich nicht exportieren
Mit seiner auf Kohle-Export orientierten Wirtschaftspolitik schadet sich Australien nur selbst, stellt Savon Sanomat fest:
„Australien zählt zu den großen CO2-Exporteuren und laut Premier Scott Morrison wird es das auch bleiben. In der Theorie können die Folgen der für das Klima schädlichen Aktivitäten an die ganze Welt ausgelagert werden, aber manchmal werden die Risiken auch im eigenen Land zur Realität. Auch deshalb wäre es im Interesse Australiens, eine klimaneutrale Welt anzustreben.“
Sträfliche Missachtung des Offensichtlichen
Auch The Guardian findet, dass sich Australien sehenden Auges in die Krise stürzt:
„Der Premier hat angekündigt, Australiens Position als weltweit führender Kohle-Exporteur behaupten zu wollen. Der Energieminister des Landes, Angus Taylor, hat erklärt, Länder wie Australien hätten im Alleingang sowieso keinen bedeutenden Einfluss auf die globalen Emissionen, wenn China und Indien nicht mitmachen. Das ist hoffnungslose Politik. Und gerade von einem Minister kommend, dessen Land mit jedem Jahr immer heißer, trockener und gefährlicher wird, grob deplatziert. ... Die Krise, die sich vor den Augen von Premier Morrison abspielt, ist beispiellos. Seine rücksichtslose Missachtung für deren Hauptursache muss aufhören.“
Das Desaster verhindern - jetzt!
Die Brände zeigen, wohin es führt, wenn drängende Umweltprobleme auf die lange Bank geschoben werden, schreibt die taz:
„Je heißer und trockener es ist, je stärker die Winde werden und je feueranfälliger die Wälder, desto verheerender werden die Buschbrände. … Schon macht das Wort vom 'Pyrozän' die Runde, dem 'Zeitalter des Feuers'. Aber dieses Zeitalter kommt nicht über uns, als seien wir machtlos. Wir beschwören es durch unsere Verbrennung von Kohle, Öl und Gas selbst herauf. … Da sind die Feuer in Australien Rauchzeichen aus der Zukunft. Dort und überall kommt es darauf an, mit klaren Vorgaben das Desaster zu verhindern - und dann diese ernsthaft umzusetzen, auch gegen die Widerstände aus Politik, Lobbygruppen und Industrie.“