Soleimani-Tötung: Wie soll Europa reagieren?
Die US-Regierung hat den Drohnenschlag gegen den iranischen General Qassim Soleimani vorbereitet und durchgeführt, ohne ihre Verbündeten in EU und Nato einzuweihen. Kommentatoren sehen Europa dadurch in einem Dilemma zwischen Bündnistreue und dem Wunsch, durch eine eigene politisch-diplomatische Positionierung Stärke zu demonstrieren.
So schwierig war es noch nie
Postimees ist besorgt über den Alleingang des Weißen Hauses und sieht Europas Treue zum Partner USA auf eine Belastungsprobe gestellt:
„Donald Trump ist bei weitem nicht der erste amerikanische Präsident, der Kriege begonnen hat. Europäische Länder haben die 'erste Geige' der westlichen Sicherheit in diesen Entscheidungen immer unterstützt. Manchmal vorsichtig oder gar schweigend, aber immerhin. Aber nie zuvor hat ein US-Präsident solche Entscheidungen, die zum Krieg führen können, in einem so kleinen Kreis gefällt. ... Dementsprechend schleppend reagieren die europäischen Großmächte auf die Tötung von Soleimani. So sehr, dass US-Außenminister Pompeo Großbritannien, Frankreich und Deutschland zu mehr Hilfsbereitschaft aufrufen musste.“
Die Waffen sprechen, Europa schweigt
Dem Alleingang der USA muss Europa hilflos zuschauen, bedauert Brüssel-Korrespondent Andrea Bonanni in La Repubblica:
„Wenige Wochen, nachdem er in London das siebzigjährige Bestehen einer Nato gefeiert hat, die Macron als 'hirntot' bezeichnete, hat der amerikanische Präsident die Welt an den Rand eines verheerenden Krieges gebracht, ohne sein eigenes Parlament oder seine europäischen Verbündeten zu Rate zu ziehen. ... Wir müssen uns also bewusst werden, dass wir alleine dastehen, und dass diese Vereinsamung zu einer diplomatischen Schwäche führt. ... Ob dieser geteilte Westen wiedervereinigt werden kann, werden die amerikanischen Wähler in einem Jahr entscheiden, diesmal hoffentlich ohne Einmischung von außen. In der Zwischenzeit sprechen die Waffen in der Welt. Und Europa ist gezwungen, zu schweigen.“
Nicht mit USA brechen
Die Europäer sollten nicht mit den Feinden der USA sympathisieren, findet wPolityce:
„Mit der Eskalation des Konflikts im Nahen Osten beginnt die globale Linke und ein bedeutender Teil der Rechten, ihre alte Leier vom schrecklichen, aggressiven und gewalttätigen Amerika auszupacken, ohne welches - so ihr Argument - die Welt besser wäre. ... Dabei darf man nicht vergessen, dass eine Welt, in der die Dominanz Amerikas beendet oder stark eingeschränkt wird, für Länder wie Polen extrem gefährlich ist. Eine neu verteilte Machtstruktur oder ein neuer Hegemon (wobei für diese Rolle nur China in Frage kommt) werden unsere Unabhängigkeit nicht in der Weise stärken, wie die Vereinigten Staaten das tun. Das gilt nicht erst seit heute: Ohne Präsident Reagan hätte der Kommunismus noch mehrere Jahrzehnte länger andauern können.“