Wird Assange an die USA ausgeliefert?
In London wird seit Montag über Julian Assanges Auslieferung verhandelt. Die USA werfen ihm vor, mit seinen Veröffentlichungen auf Wikileaks das Leben von Menschen gefährdet zu haben, etwa indem Namen von Informanten und Dissidenten nicht unkenntlich gemacht worden seien. Assanges Verteidiger sagen hingegen, das Gesuch sei politisch motiviert. Europas Presse sieht einen wichtigen Präzedenzfall.
Datendiebstahl bestrafen, aber nicht Verbreitung
Dass Medien heikle Informationen notfalls auch gegen den Willen der Regierenden veröffentlichen, ist im gesamtgesellschaftlichen Interesse, argumentiert The Times:
„Kein Nachrichtenanbieter sollte gestohlene Dokumente leichtfertig veröffentlichen. Doch wenn es nie passieren würde, hätte es eine ganze Reihe von Enthüllungen niemals gegeben, die eindeutig im öffentlichen Interesse waren - vom Spesenskandal britischer Parlamentarier bis zu den Pentagon-Papieren [zum Vietnamkrieg]. In bestimmten Fällen kann und soll das Stehlen von Daten kriminalisiert werden. Whistleblower wie Chelsea Manning liegen manchmal richtig und manchmal falsch. Und manchmal sind sie schlicht nicht in der Lage, diese Entscheidung zu treffen. Die Kriminalisierung derjenigen, die Informationen verbreiten, ist allerdings ein gefährlicher Präzedenzfall. Selbst, wenn sie es unglaublich schlecht machen.“
Jede Veröffentlichung genau überdenken
Journalisten wie Julian Assange gehen manchmal zu leichtfertig vor, findet La Croix:
„Die Methoden von Wikileaks sind diskutabel. … Kann man Hunderttausende von Dokumenten an die Öffentlichkeit bringen, ohne sich um die schwerwiegenden Folgen zu sorgen, die dies für die Sicherheit zahlreicher Personen haben kann? Und ohne sich Gedanken zu machen über den Nutzen, den die Feinde der Demokratie daraus ziehen können? Der Beruf zu informieren erfordert ein großes Verantwortungsbewusstsein. Es ist jedoch inakzeptabel, dass die Wahrheit unter Verschluss gehalten wird, wenn es um gravierende Sachverhalte geht.“
Es geht um den gehackten Demokraten-Server
Konstantin Remtschukow, Chefredakteur von Nesawissimaja Gaseta, sieht als eigentlichen Motor für den Fall Assange, dass Wikileaks vor der letzten US-Präsidentenwahl Daten vom Mailserver der US-Demokraten veröffentlicht hatte:
„Dabei stellte sich heraus, dass sich die Parteiführung gegen Bernie Sanders und für Hillary Clinton entschied. Das hat die demokratisch orientierten Amerikaner so erschüttert, dass so viele ihre Stimme nicht abgaben, dass es nicht zum Sieg reichte. Und dann ging es los mit den unaufhaltsamen Beschuldigungen, Russland hätte die Wahl Trumps unterstützt. ... Entsprechend gehen Gerüchte um, wonach Trumps Leute Assange einen Deal vorgeschlagen haben: Er soll erklären, dass er die Daten vom Demokraten-Server nicht von den Russen hat. Dafür würde er begnadigt und müsste nicht in Haft. Aber angeblich hat Assange abgelehnt.“