Was wird aus der Urlaubssaison?
In den meisten Ländern Europas gelten wegen Covid-19 nach wie vor Reisebeschränkungen. Nun aber steht die Urlaubssaison an, und insbesondere Regionen, die stark vom Tourismus abhängig sind, arbeiten an Strategien, um Erholung mit Sicherheitsabstand zu ermöglichen. Kommentatoren fordern auch, die Krise dazu zu nutzen, problematische Aspekte der Branche zu verbessern.
Wettlauf um Post-Corona-Geschäft
Spanien verliert den Anschluss, wenn es nicht endlich staatliche Hilfen für den Tourismus gibt, fürchtet El País:
„Bei den unterschiedlichen Geschwindigkeiten [der Lockerungen] spielen nicht nur die Ansteckungsrate und die Qualität des Gesundheitssystems eine Rolle. Sondern auch die Fähigkeit, mit staatlichen Mitteln das Überleben der Unternehmen zu garantieren, und die finanzielle Stärke, um Rettungspakete zu erstellen. Frankreich hat gerade ein 18-Milliarden-Euro-Programm für den Tourismusmarkt angekündigt, Italien ein 8-Milliarden-Euro-Paket. Auch der spanische Tourismus braucht einen Rettungsplan, der über die bisherigen allgemeinen indirekten Hilfen hinausgeht.“
Abhängigkeit vom Tourismus verringern
Nun rächt sich die Abhängigkeit der zyprischen Wirtschaft vom Tourismus, beobachtet Phileleftheros:
„Diesmal wird der Tourismus die zyprische Wirtschaft nicht retten, wie es in der Wirtschaftskrise 2013 der Fall war. Diesmal wird der Tourismus Hilfe brauchen. Es scheint, dass die Urlaubssaison in diesem Jahr ausfallen wird. Der Staat muss in Zusammenarbeit mit Geschäftsleuten aus dem Tourismus Maßnahmen ergreifen, um einheimische Reisende anzuziehen. Obwohl Hoteliers den lokalen Markt nicht als tragfähige Lösung für die Branche betrachten, ist er besser als nichts. ... Wir haben aus der Corona-Krise eine weitere Lehre gezogen: dass die Wirtschaft nicht nur auf dem Tourismus basieren sollte. Der Staat sollte andere Bereiche stärken, die eine Perspektive haben und zum Neustart der Wirtschaft beitragen.“
Urlauber bringen Hoffnung und Risiko
Mit den ersten Touristen seit der Grenzöffnung wächst in Kroatien die Hoffnung, aber auch die Angst, meint Večernji list:
„Die Gastgeber an der Adria waren noch nie, nicht einmal in den ersten Jahren nach dem Krieg, so verunsichert wie jetzt. Das Abflauen der Pandemie bringt einen Hauch von Optimismus, die Hoffnung wächst und die Ambitionen steigen. Die Küste, an die jährlich mehr als 20 Millionen Touristen kommen, wird in dieser Saison halbleer bleiben, aber, so die Hoffnung, zumindest nicht ganz. ... Das Risiko steigt mit der Ankunft von Fremden und das Unbehagen der Gastgeber ist verständlich, aber es hat sich gezeigt, dass das Virus durch körperliche Distanz, maximale Hygiene und die Einhaltung aller vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen besiegt werden kann.“
Griechenland braucht die Touristen
Athen sollte Reisende überzeugen, dass das Land ein sicherer Ort ist, schreibt Ta Nea:
„Jeder Prozentpunkt des BIP ist äußerst wertvoll im Kampf gegen einen verheerenden Schlag für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft im Allgemeinen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die griechische Tourismusindustrie rasch neu zu starten. Man kann nicht von den Rekordzahlen der Touristen in den letzten Jahren träumen, aber kein Tag sollte verloren gehen. Die einzige Möglichkeit, die Sommersaison teilweise zu retten, besteht darin, dass Griechenland die Menschen davon überzeugt, dass es ein sicheres Touristenziel ist, und das internationale Lob und die internationale Anerkennung nicht gefährdet. 'Griechenland: Ihr sicherer Hafen in unruhigen Gewässern', wäre ein möglicher Slogan.“
Jetzt Qualitätstourismus unterstützen
Das gesamte Low-Cost-Modell im Tourismus steht auf dem Prüfstein, bemerkt El Periódico de Catalunya:
„Die Billigfluggesellschaften müssen überdacht werden, aber auch die Tourismussegmente, die auf der intensiven Nutzung der natürlichen Ressourcen basieren, ohne Mehrwert beizutragen. Das für Hunderttausende von Angestellten schmerzhafte Experiment in diesem Jahr wird beweisen, dass es in kritischen Momenten nicht nur auf den Preis, sondern auch auf die Treue der Kunden ankommt. Wir leben in einer Welt der Erlebnisse. Sind diese nicht positiv, können sie nur noch zu Spottpreisen verscherbelt werden. Jetzt werden diejenigen profitieren, die in der Vergangenheit in stabile Kundenbindung investiert haben. Und die staatlichen Hilfen sollten dieses Modell zusätzlich unterstützen.“
Schluss mit Billigflaggen für Kreuzfahrtschiffe
Rund 100.000 Besatzungsmitglieder aus vielen Nationen sind an Bord gestrandeter Kreuzfahrtschiffe gefangen, weil die Reedereien in Panama oder Vanuatu nicht für ihre Rückführung sorgen, kritisiert Jyllands-Posten:
„Genauso wie in diesem Jahr Steuerparadiese bekämpft werden müssen, müssen die maritimen Nationen der Welt, darunter Norwegen mit seinen großen Interessen in der Kreuzfahrtindustrie, die Coronakrise nutzen, um die rechtlichen Vorgaben so zu ändern, dass Kreuzfahrtschiffe in dem Land registriert werden müssen, wo die Besitzer beheimatet sind. Ebenso müssen klare Gesetze zur Behandlung der Besatzung im Falle einer neuen Krise erlassen werden. Die jetzigen Zustände, wo es nur den Reedereien bequem gemacht wird, passen nicht ins 21. Jahrhundert. “
Selbstschutz gebietet Abschottung
Urlaubsländer wie Malta sollten trotz Einbußen weiterhin keine Besucher aus dem Ausland ins Land lassen, fordert Times of Malta:
„Der zweigleisige Ansatz, der es einerseits der Wirtschaft ermöglicht, in begrenztem Umfang schrittweise neu zu starten, und andererseits die Möglichkeiten zur Übertragung des Virus einschränkt, könnte sich sehr wohl als richtig erweisen - wobei sämtliche Maßnahmen regelmäßig überprüft werden müssen. Damit dies funktioniert, muss die Schließung unseres Flughafens für den Passagierverkehr vorerst weiterhin toleriert werden, auch wenn die wirtschaftlichen Kosten einer solchen Maßnahme verheerend sind. Ein isolierter Inselstaat zu sein, bietet nur wenige Vorteile. Doch dieser muss im langfristigen Interesse der Gesellschaft genutzt werden.“
Hoffnung bezahlt keine Mitarbeiter
In Deutschland gilt eine weltweite Reisewarnung bis Mitte Juni. Die Regierung hätte den Mut haben sollen, sie bis über den Sommer hinaus zu verlängern, meint Zeit Online:
„Die Menschen darüber im Unklaren zu lassen, was im Juli und August vielleicht doch möglich sein könnte, hilft niemandem. Vor allem nicht der Reisebranche, die nun bis kurz vor knapp damit rechnen muss, ihre Leistungen vielleicht doch noch erbringen zu müssen. Hoffnung bezahlt keine Mitarbeiter, Planungssicherheit dagegen könnte einige retten. Der Sommer, wie wir ihn kennen, ist abgesagt. Die allermeisten ahnen das schon lange. Jetzt muss die Bundesregierung nur noch den Mut haben, es offiziell zu machen.“
Historische Gelegenheit
Die Corona-Krise könnte einen lange überfälligen Strukturwandel im ungarischen Tourismus erzwingen, glaubt das Onlineportal Azonnali:
„Die Massenszenen an Touristenzielen wie dem Balaton-See, die in den vergangenen Jahren üblich waren, sind selbstverständlich keine Option mehr. Die Zunahme des Massentourismus zum Nachteil des Qualitätstourismus war von Anfang an ein Eigentor. … Wir stehen vor der historischen Gelegenheit, die Grundlage für eine nachhaltigere, qualitätsvolle Urlaubssaison am Balaton zu schaffen, die mindestens doppelt so lang wäre wie die bisher üblichen zwei Monate. Ein brutaler Andrang von Touristen ist in der Zeit der Pandemie sowieso nicht zu erwarten, und auch dieser reduzierte Tourismus sollte nicht nur auf die populärsten Urlaubsorte konzentriert werden. Stattdessen könnte eine bessere räumliche und zeitliche Staffelung erreicht werden.“
Junge Menschen für Natur begeistern
Die finnische Tourismusbranche muss jetzt neue Kundengruppen ansprechen, betont Helsingin Sanomat:
„Die Attraktion des hiesigen Tourismus waren die Sommerveranstaltungen, die es in diesem Sommer aber nicht geben wird. Für eine Weile wird sich die Tourismusbranche nicht auf chinesische oder andere ausländische Gäste verlassen können, so dass sich der Blick auf die Finnen richten muss. Um diese anzulocken, sind neue Ideen nötig - natürlich im Rahmen der Epidemiebeschränkungen. Insbesondere in der jüngeren Generation gibt es Menschen, die das Nachtleben in Berlin und die Geschäfte in Paris besser kennen dürften als die verschiedenen Ecken Finnlands. Eine Attraktion Finnlands ist seine saubere Natur. Aber wie lockt man jene an, die sich bisher nicht für Naturtourismus interessierten?“