Deutschland: Mit Milliarden gegen die Rezession
Die große Regierungskoalition in Deutschland hat sich auf ein 130 Milliarden schweres Konjunkturprogramm geeinigt. Es umfasst 57 Punkte, darunter eine Senkung der Mehrwertsteuersätze, 300 Euro Kinderbonus, eine Deckelung der Lohnnebenkosten, eine Kaufprämie für Elektroautos und weitere Unterstützung für Unternehmen und Kommunen. Kommentatoren diskutieren die Maßnahmen kontrovers.
Vorbild für andere EU-Staaten
Deutschland zeigt dem Rest Europas, wie man die eigene Wirtschaft unterstützt, lobt Financial Times:
„Der Stimulus ist groß, entspricht fast vier Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts, und er ist gut gestaltet. ... Berlin tut mehr als die meisten anderen großen europäischen Volkswirtschaften, um die Folgen für die Wirtschaft des Landes abzufedern - obwohl die ökonomische Schrumpfung wahrscheinlich weniger schlimm ausfallen wird als anderswo. Nach Jahren der Sparsamkeit hat Deutschland viel finanziellen Spielraum. Seine Nachbarn sollten sich ermutigt fühlen, ihre eigenen, gut abgestimmten Konjunkturprogramme auszuarbeiten. Ein EU-Wiederaufbaufonds wird ihnen, sobald es dazu eine Einigung gibt, Unterstützung bieten.“
Geld geht direkt an Verbraucher
Deutschlands geht klüger vor als Finnland, meint Helsingin Sanomat:
„In ihrem Nachtragshaushalt stellt die finnische Regierung viel Geld für Projekte bereit, die nicht einfach so schnell begonnen werden können. Infrastrukturmaßnahmen sind nötig, aber die Konjunktur werden sie, wenn überhaupt, erst in den nächsten Jahren ankurbeln. Das zusätzliche Geld für Unterricht und Lehre ist im Hinblick auf die Verbesserung des Know-hows sicher vernünftig, doch die Bedeutung für die Konjunkturbelebung zur richtigen Zeit, nämlich jetzt, ist gering. … In Deutschland ist der Schwerpunkt ein anderer. ... Die niedrigere Mehrwertsteuer ist bis Jahresende in Kraft. Und Familien mit Kindern bekommen einmalig 300 Euro pro Kind. ... Deutschland gibt den Verbrauchern das Geld direkt.“
Mangelnde Kaufkraft ist nicht das Problem
Die Neue Zürcher Zeitung bezweifelt, dass die Mehrwertsteuersenkung den Konsum stimulieren wird:
„Erstens gehen die Koalitionspolitiker davon aus, dass die Unternehmen die Steuersenkung an die Konsumenten weitergeben. Dies mag vor allem in Branchen mit harter Konkurrenz der Fall sein, es ist aber keineswegs gesichert. Zweitens ist selbst bei einer Weitergabe nicht sicher, ob tatsächlich mehr konsumiert oder nur mehr gespart wird. ... Ökonomen [haben] darauf hingewiesen, dass der Konsum vor allem durch Zukunftsängste und Corona-bedingte Einschränkungen gebremst werde, nicht durch einen verbreiteten Mangel an Kaufkraft.“