Gasstreit im Mittelmeer: Macrons umstrittene Rolle
Im Streit um Gas im östlichen Mittelmeer hat Frankreichs Präsident Macron am Donnerstag das Verhalten Ankaras als "untragbar" bezeichnet und der Türkei abgesprochen, weiter ein Partner in der Region zu sein. Bereits vor rund einem Monat hatte die französische Armee ihre Marinepräsenz in der Region verstärkt und Kampfbomber nach Zypern verlegt. Journalisten sehen das Engagement Macrons kritisch.
Griechenland wird Frankreichs Militärschrottplatz
Der griechische Premier hat ein massives Aufrüstungsprogramm angekündigt und will unter anderem 18 französische Mehrzweckjets sowie vier Fregatten anschaffen. Mitsotakis hat sich über den Tisch ziehen lassen, meint Milliyet:
„Da die ganze Welt weiß, dass Griechenland kein Geld hat, um vier Fregatten zu kaufen, ja nicht einmal für ein Gummiboot, ist es klar, dass Macron diese Liste erstellt hat. ... Diese Ausrüstung ist zweifellos von Frankreich ausgemusterter Müll. ... Die Türkei bettelt bei niemandem um Fregatten, das ist der Unterschied! Die Türkei produziert ihre Schiffe selbst. Mitsotakis sollte diese Freundschaft aufgeben; er sollte sich mit der Türkei an den Verhandlungstisch setzen, das Mittelmeer mit ihr gemeinsam erkunden, Öl und Gas zusammen fördern und sein Land in eine wirklich sichere Position bringen.“
Die Türkei ist auch nicht schlechter als Russland
Der französische Präsident misst mit zweierlei Maß, moniert L'Opinion:
„Frankreichs Verbündete, allen voran Amerikaner und Deutsche, beobachten das Geschehen mit einer Mischung aus Unverständnis, Verärgerung und Besorgnis. Sie sind kaum dazu bereit, unnötigerweise mit der Türkei, einem wichtigen Nato-Mitglied, zu brechen. Und sie stellen fest, dass der Franzose Wladimir Putin weit mehr verschont als Recep Tayyip Erdoğan. In der Türkei ist längst nicht alles perfekt, aber die Opposition regiert dort die zwei größten Städte des Landes, Istanbul und Ankara. Man weiß dank Nawalny, welches Schicksal russischen Oppositionellen vorbehalten ist. ... Emmanuel Macron hat zu Recht begonnen, eine Deeskalation gegenüber Russland einzuleiten. Dies sollte ihn für den Umgang mit der Türkei inspirieren.“
Gesundes Misstrauen ist angebracht
Athen sollte sich nicht kopflos in eine neudefinierte Partnerschaft mit Paris stürzen, warnt Naftemporiki:
„Die gestrige erneute Intervention von Emmanuel Macron zugunsten der Position Athens und gegen Ankara hat sowohl die griechische Delegation als auch die öffentliche Meinung in Griechenland angemessen befriedigt. ... Die Möglichkeit einer 'neuen strategischen Beziehung' zwischen Griechenland und Frankreich, die wahrscheinlich auf riesigen Rüstungsprogrammen und einer möglichen Neuausrichtung der Außenpolitik des Landes beruhen wird, muss jedoch eingehender geprüft werden. … Das Land muss entscheiden, wo und wie es seine Kräfte mit Besonnenheit einsetzen wird.“
Dynamischer Schauplatz im globalen Wettstreit
Der Konflikt um das Gas im östlichen Mittelmeer zeigt den Verfall der bisherigen Weltordnung, meint Sabah:
„Die Mittelmeerkrise, in der die USA den Mentor geben und die für hohe Spannungen zwischen Griechenland und Frankreich und der Türkei gesorgt hat, verstärkt eigentlich die Dunkelheit, in der die westliche Welt gefangen ist. Daher wird sich der unerbittliche Kampf zwischen westlichen und asiatischen Mächten um den Aufbau eines neuen globalen Systems nach Corona weiter verschärfen. Zweifellos hat der Wettbewerb im östlichen Mittelmeerraum mehr als genug Dynamiken, die sowohl den Verlauf als auch das Endergebnis dieses globalen Kampfes bestimmen werden. Deswegen sind alle Augen nicht nur auf die Region, sondern auch auf die Türkei gerichtet, die die größte Machtposition im Mittelmeer besitzt.“