Soll Skiurlaub über Weihnachten verboten werden?
Berlin, Paris und Rom wollen die Skigebiete in der EU bis zum 10. Januar geschlossen halten, um Covid-Infektionen einzugrenzen. Wien stellt sich quer und will den milliardenschweren Wirtschaftssektor nicht weiter beschädigen, der allerdings zu Pandemiebeginn eine Schlüsselrolle bei der europaweiten Verbreitung des Virus spielte. Für einige Kommentatoren steckt mehr hinter dem Streit als die Angst vor Corona.
Frische Bergluft statt Zentralismus
Der Tages-Anzeiger hat wenig Verständnis für eine einheitliche Lösung:
„Mit ihrem zentralistischen Angst-Instinkt liegen Giuseppe Conte, Emmanuel Macron und Angela Merkel … falsch. Ein länderübergreifender Ski-Lockdown hätte zwar den Vorteil der Einheitlichkeit - das Gegenteil jener viel bejammerten pandemiepolitischen 'Flickenteppiche'. Aber er würde nicht verstanden, vor allem nicht dort, wo die Ansteckungszahlen tief und die Massnahmen für einen Corona-sicheren Skibetrieb schon rigoros sind. ... Mit ihren Quarantäneregeln haben es die Regierungen zudem im Griff, wer wohin in die Ferien reist. Wer aber die Gelegenheit hat, nach neun Monaten Lock- und Slowdown in den Bergen Sonne und Luft einzusaugen, wird dankbar sein. Und seine Dankbarkeit durch peinlich genaues Einhalten der Corona-Regeln zum Ausdruck bringen.“
Plumpes Ablenkungsmanöver
Die Deutschen sollten die Pandemie im eigenen Land unter Kontrolle bringen, bevor sie andere für ihre Maßnahmen kritisieren, findet Der Standard:
„Während Österreich wieder ans Lockern denkt, müssen die Deutschen verlängern und verschärfen, eben, weil die Kurve nicht nach unten geht. ... Da erscheint nun Söder und Merkel, die beide zur Fraktion der Gestrengen zählen, der Wunsch Österreichs nach Skiurlaub absurd und gefährlich. Man kann es verstehen - einerseits. Der Ischgl-Reflex ist in Deutschland fest verankert. ... Ischgl steht für Versagen, für die besoffene Hütt’ngaudi ohne Gedanken an morgen. ... Wenn sich die Deutschen nun in Brüssel für eine europaweite Schließung der Skigebiete starkmachen wollen, dann kommt ein wenig das Gefühl auf, da möchte jemand von den eigenen Problemen ablenken.“
Wien unterwirft sich dem Skitourismus
Wenn Österreich einen europäischen Lift-Lockdown bis in den Januar hinein ausschließt, ist das unverantwortlich und unsolidarisch, schimpft die Süddeutsche Zeitung:
„Unverantwortlich ist es deshalb, weil bislang keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorliegen, welche Ansteckungsgefahr ein Skibetrieb zur absoluten Hochsaison birgt. ... Ein Akt mangelnder Solidarität ist die Weigerung, eine EU-weite Lösung beim Thema Skigebiete zu finden, weil von jedem Betrieb und jeder Destination zwischen Venedig und Nordsee in der Krise Opfer verlangt werden - aber die in vielen Alpengebieten geradezu heilige Tourismuswirtschaft soll ungeschoren davonkommen? ... [Es wirkt] so, als würde man sich in Wien dem Geschäft namens Skitourismus unterwerfen.“
Schließt Euch gegen Merkel zusammen!
Trud ist empört über Deutschlands Vorstoß:
„Als wäre es nicht genug, dass Pseudo-Naturschützer die Entwicklung des bulgarischen Wintertourismus behindern, taucht jetzt auch noch die Politik auf und versucht, das Wenige kaputt zu machen, das noch funktioniert und Einkommen bringt, nicht nur in Bulgarien, sondern in ganz Europa. ... Deutschland hat den EU-Ratsvorsitz. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir mit allem einverstanden sein müssen, was die großen Chefs der Europäischen Union sagen. Vielleicht ist es an der Zeit, eine Einheitsfront gegen solche Ideen zu bilden. Österreich wird uns sicherlich unterstützen, und warum nicht auch Länder wie Frankreich, Italien, Slowenien, Rumänien und die Tschechische Republik.“
The snow must go on
Während die EU streitet, freut sich die Schweiz, bemerkt La Stampa:
„Denn wo werden die eingefleischten Skifahrer zum Skifahren hinfahren, wenn in Italien die Pisten bis zum Dreikönigstag geschlossen bleiben? Da die Schweiz nicht Teil der EU ist, könnte sie das begehrteste Reiseziel sein. Vorausgesetzt, es ist möglich, die Grenze zu überschreiten. Dort sind die Seilbahnen den öffentlichen Verkehrsmitteln ebenbürtig, so dass keine Gefahr besteht, dass sie stehen bleiben: the snow must go on. …. Von Andermatt bis St. Moritz reibt man sich schon jetzt die Hände, und sicher nicht wegen frostiger Temperaturen.“