Grünes Licht für EU-Haushalt und Corona-Paket
Der Weg für den 1,8 Billionen Euro umfassenden EU-Haushalt für die kommenden sieben Jahre und die milliardenschweren Corona-Hilfen ist frei. Nach dem zähen Ringen im Sommer um den Coronafonds hatte der Streit mit Ungarn und Polen wegen des Rechtsstaatsmechanismus den EU-Haushalt blockiert. Doch nun wurde ein Kompromiss erreicht. Hat sich die EU als tatkräftige Akteurin erwiesen?
EU ist agiler als gedacht
Die vielfach beklagte Trägheit der EU hat den Kompromiss mit Polen und Ungarn schließlich möglich gemacht, analysiert Les Echos:
„Nachdem wieder einmal etwas zu voreilig Alarm geschlagen wurde bezüglich einer hoffnungslos schwachen EU, ist es an der Zeit, das Gegenteil anzuerkennen: Die Europäische Union ist trotz ihrer unbestreitbaren Langsamkeit ein viel agilerer Organismus, als es scheint, und fähig, mit der sie charakterisierenden Diskretion scheinbar unlösbare Blockaden zu überwinden. … Was eine Zeitlang als Beleg für die Unzulänglichkeiten der EU dargestellt wurde, erweist sich vielmehr als ein Lehrbuchbeispiel der europäischen Methode. Undankbar, unsichtbar und hoffnungslos langsam. Aber am Ende gewinnbringend.“
Und wenn andere die Veto-Karte spielen?
Dass das Vorgehen von Ungarn und Polen Schule machen könnte, fürchtet Új Szó:
„Das starke Veto von Budapest und Warschau sendet die Botschaft, dass diese Karte sogar in den schwerwiegendsten Angelegenheiten ausgespielt werden kann. ... Wann wird auch Irland gegen die Idee einer Steuerharmonisierung ein sofortiges Veto einlegen? Oder Italien und andere südliche Mitgliedstaaten gegen eine falsch durchdachte Flüchtlingsdirektive? Oder Schweden gegen eine Klimaschutzregelung, die nicht hart genug ist? ... Kurzfristig war dieser Kompromiss eine Lösung. Wird er [langfristig] zur Entgleisung beitragen?“
Schluss mit dem Kindergarten
Polen hängt sich selbst ab, kritisiert Krytyka Polityczna:
„Am schlimmsten ist, dass unsere nationale Debatte über Europa auf Kindergarten-Niveau geführt wird. Während Europa ernsthaft darüber nachdenkt, wie die Einheit einer sehr vielfältigen Union gewahrt werden kann, wie die Forderungen nach einer tieferen Integration des karolingischen Kerns Europas und die Vorsicht seiner verschiedenen Satelliten in Einklang gebracht werden können, bleiben wir mit dem bizarren Ruf 'Europa oder Tod' stehen und schwenken das abgenutzte Banner eines 'Europa der Heimatländer', ein Konzept, das absolut unnütz ist für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. ... Es bleibt zu hoffen, dass wir die PiS aussitzen können, und dass die nächste Regierung weiter an jenem Tisch sitzt, der über die europäische Zukunft entscheidet.“
Geld ist immer noch der größte Hebel
Die beiden Möchtegern-Tiger Ungarn und Polen sind dann doch als Bettvorleger gelandet, spottet die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Denn die EU gibt mit der Erklärung nichts auf. ... [Der Rechtsstaats-]Mechanismus bleibt unangetastet. ... Für die Europäische Union ist das Ende der Blockade ein Augenblick der Wahrheit. Die wichtigste Lektion: Geld ist immer noch der größte Hebel. Polen bekam zuerst weiche Knie, als in Brüssel laut über einen Corona-Hilfsfonds zu fünfundzwanzigst nachgedacht wurde. Ungarn wollte die Milliarden aus Brüssel auch nicht verschmähen. Die beiden anderen Mitglieder der Visegrád-Gruppe hatten sich vorher schon aus der Sippenhaft befreit. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat damit den deutschen EU-Ratsvorsitz zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht.“
Ein großer Tag für die Gemeinschaft
Die EU tat, was sie tun musste, jubelt Brüssel-Korrespondent Marco Zatterin in La Stampa:
„Die beste aller möglichen Welten ist eine, in der jeder seine Arbeit gut macht und sich allein darauf konzentriert. Daraus folgt, dass die bestmögliche Europäische Union diejenige ist, in der der Gipfel der Staats- und Regierungschefs den notwendigen Kompromiss findet, der das Anti-Covid-Konjunkturprogramm politisch aus der Taufe hebt, während die EZB entschlossen die Bazooka lädt, um die öffentlichen Schulden zu finanzieren und eine gefährliche kontinentale Liquiditätskrise abzuwenden. Es war nicht einfach und es fehlte nicht an leidigen Duellen, in Ton und Inhalt, aber es geschah gestern, am 10. Dezember. “
Fortschritt für Demokratie, Wohlstand und Klima
Voller Lob ist auch El País:
„Die Einigung macht gegenüber Warschau und Budapest einzelne Zugeständnisse, diese sind aber nicht substanziell. Die neue Bindung an die Werte bleibt bestehen. ... Im Zusammenhang betrachtet macht die EU einen bedeutenden Sprung nach vorne. Selten hat man auf so vielversprechende Weise eine so tiefgreifende Harmonie zwischen demokratischem Fortschritt und Anschub des wirtschaftlichen Wohlstands an den Tag gelegt. Es öffnet sich zudem ein Weg für einen engagierteren Kampf gegen den Klimawandel. Es war höchste Zeit.“
Zeit für "Made in Europe"
Jetzt darf man das Fernziel nicht aus den Augen verlieren, pocht Chefredakteur Jordi Juan in La Vanguardia:
„In Spanien streitet man noch darüber, welche Region mehr Geld bekommt und ob die Ibex-dotierten Konzerne gegenüber den KMU bevorzugt werden. Doch eigentlich geht es darum, ob es Europa gelingt, eine Industrie und eine Technologie aufzubauen, die nicht nur zukunftsfähig, sondern auch autark sind. Sämtliche technische IT-Komponenten in der EU stammen aus Amerika oder Asien. Die enormen Mittel der EZB dürfen nicht allein der Krisenbekämpfung dienen, sondern müssen auch die Basis für die europäische Konkurrenzfähigkeit schaffen. Es ist an der Zeit, dass sich 'Made in Europe' durchsetzt.“