Trump geht – was bleibt?
Am 20. Januar um 12:00 Ortszeit endet die Amtszeit Donald Trumps als US-Präsident. Zwei Wochen nach dem Sturm auf das Kapitol verlässt er das Weiße Haus mit den niedrigsten Zustimmungswerten, die er je hatte. Der Amtseinführung seines Nachfolgers bleibt er fern. Einige Kommentatoren wollen das Kapitel Trump am liebsten vergessen wissen, andere mahnen, dass genau das nicht passieren darf.
Donalds Albtraum
Selbst die engsten Vertrauten haben Trump fallen lassen, bemerkt La Stampa:
„Weder sein treuer Stellvertreter Mike Pence noch der Chef der republikanischen Minderheit im Senat, Mitch McConnell werden bei seiner Abreise dabei sein. ... Zudem hat McConnell gestern zum ersten Mal Donald für den Angriff auf den Kongress am 6. Januar verantwortlich gemacht: Extremisten seien mit Lügen versorgt und vom Präsidenten und anderen mächtigen Leute angestachelt worden. Das ist ein Zeichen, dass die Zeiten sich bereits geändert haben und Trumps Zukunft gefährdet ist. Denn Mitchs Worte könnten seine Stimme für ein Amtsenthebungsverfahren im Senat vorwegnehmen. Ein Albtraum für Donald, der eine Verabschiedung mit militärischen Ehren wollte und Bidens Eid fernbleibt, um den Mythos des gestohlenen Sieges am Leben zu erhalten.“
Nun muss die Aufarbeitung beginnen
Trumps Erbe konfrontiert die USA auf unangenehme Weise mit den eigenen politischen Prinzipien, erklärt Politologe Ádám Paár in Népszava:
„Nach dem Angriff auf den Kongress bietet sich eine gute Gelegenheit für die ehemaligen US-Präsidenten, und mehr noch ihre Nationalen Sicherheitsberater, darüber nachzudenken, wie oft sie im Ausland Menschen gegen rechtmäßig gewählte Parlamente und Regierungen aufgehetzt haben. ... Trump hat das eigene Land [auf ähnliche Weise] destabilisiert. ... Das wirft die Frage auf, wie stark das Vertrauen in demokratische Institutionen und deren Legitimität eigentlich ist. ... Die Biden-Administration wird viel zu tun haben, um die Tage im Januar vergessen zu machen.“
Weckruf auch für Europa
Die Aufräumarbeiten nach Trump sind nicht nur für die USA eine Aufgabe, betont Jyllands-Posten:
„Viele der Tendenzen, für die Trump steht, finden sich auch schon bei uns in Europa: die extreme Politisierung, das Schüren von Misstrauen, die Lügen usw. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass das jetzt vorbei ist, nur weil Trump weg ist. Wir müssen uns zusammennehmen und viel guten Willen mobilisieren, wenn es bei uns in Europa nicht so weit kommen soll. Die Trump-Ära sollte ein Weckruf sein, um unser gemeinsames Bestes zu finden.“
Abgehakt
Der Berliner Zeitung ist nicht bange um die amerikanische Demokratie:
„Allein der Umstand, dass Trump abgewählt wurde nach nur einer Amtszeit, stimmt hoffnungsfroh: In 100 Jahren ist dies nur drei US-Präsidenten widerfahren: Warren G. Harding, Jimmy Carter und George H.W. Bush. ... Von daher sollte man etliche Tausend radikale Trumpisten zwar unbedingt ernst nehmen – man sollte auch Trump als ihren Anstifter zur Rechenschaft ziehen – aber nicht überbewerten: Donald Trump ist von der Mehrheit der Amerikaner als historisches Missverständnis abgehakt, der Mann ist politisch, moralisch und auch sonst in jeder Hinsicht erledigt.“
Entzug vom Daily Drama
Helsingin Sanomat fragt sich, ob die Öffentlichkeit Trump überhaupt los sein will:
„Nicht, dass dann ein Gefühl von Leere entsteht. Das große Paradox seiner Präsidentschaft ist wohl gewesen, dass so viele Menschen Trump zwar gehasst, aber auch jeden seiner Schritte verfolgt haben. Die Abhängigkeit begann gleich im Sommer 2015, als Trump im Trump Tower seine Kandidatur bekanntgab. Von da an drehten sich die US-amerikanische Politik, die USA und die ganze Welt beinahe nur um einen Menschen. … Der Rätselhafte und Aufregende hat bei den Menschen eine ähnliche Wirkung gehabt, wie Kokain im Belohnungszentrum des Gehirns: Man musste einfach mehr bekommen.“