Ist Impfstoffe spenden nicht genug?
Trotz Covax-Hilfsprogramm: Weil reiche Länder sich die knappen Corona-Impfstoffe gesichert haben, gibt es bis heute Staaten, die noch keine einzige Dosis erhalten haben. Während China und Russland ihre Vakzine von Beginn an weltweit verkauft und teilweise verschenkt haben, lehnt die EU Spenden an Entwicklungsländer bisher ab. Für Kommentatoren würde das ohnehin nichts an der globalen Schieflage ändern.
Zum eigenen Nutzen großzügig sein
Schwedens Entwicklungshilfe-Minister hat angeregt, nach der Impfung der Risikogruppen Vakzine an Entwicklungsländer zu verschenken. Der umgehende Protest von Rechts unterliegt einem Denkfehler, schreibt Dagens Nyheter:
„Die Frage ist nicht, ob Schweden auf Impfstoff verzichten soll, sondern ob die EU Entwicklungsländern helfen soll, die Bevölkerung zu impfen, ob Schweden daran mitwirken soll und ob wir dafür arbeiten sollen, dass dies schnell geschieht. Die Antwort lautet ja. Nicht um den Rest der Welt zu retten, während die Schweden zurückstehen müssen, sondern weil unser Schicksal mit dem aller anderen verwoben ist. Solange sich die Infektion irgendwo verbreitet, wird das Virus mutieren, und es steigt das Risiko, dass eine Variante entsteht, gegen die der Impfstoff nicht hilft. Dann wird sich diese Mutation rasch verbreiten - von einem Kontinent zum anderen.“
Der karitative Ton ist fehl am Platz
Dass es schon als Erfolg gefeiert wird, wenn über Covax auch Entwicklungsländer Impfstoffe bekommen, irritiert die taz:
„Tatsächlich ist das nur ein winziger Krümel aus dem riesigen Kuchen. Ginge es um die systematische Stärkung der Gesundheitssysteme, würden Technologietransfer und temporärer Verzicht auf den Patentschutz an erster Stelle stehen. Würden wir vom Gedanken international verbindlicher Menschenrechte ausgehen, wäre der Fokus auf internationale Solidarität, Gerechtigkeit und die Pflicht zur Kooperation wesentlich stärker. Stattdessen legen die gegenwärtigen internationalen Instrumente eine traditionelle karitative Philosophie bloß, die auf moralische Verpflichtung und Wohltätigkeit abstellt, anstatt den menschenrechtlichen Anspruch ärmerer Länder auf Unterstützung zu stärken.“
China und Russland füllen gern die Lücke
Autoritäre Regime ergreifen die Chance, die ihnen die Nabelschau des Westens bietet, erläutert Krytyka Polityczna:
„Die Situation, in der sich der wohlhabende Norden selbst impft und ärmere Nationen allein lässt, schafft ein politisches Vakuum, in das autoritäre Regime eintreten können. China und Russland tun dies bereits. ... Keines der beiden Länder ist besonders erfolgreich bei der Impfung seiner eigenen Bevölkerung. ... Dennoch verfolgen sie eine aggressive Impfstoffdiplomatie und setzen dabei ihre Vakzine als Instrumente ein, mit denen sie ihren regionalen Einfluss stärken und bisher verschlossene diplomatische Türen öffnen können.“