Sicherheitskonferenz: Ist Europa wieder Team USA?
US-Präsident Joe Biden hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Rückkehr der Vereinigten Staaten in die Weltpolitik und die Reanimierung der alten Bündnisse angekündigt. Wegen der Corona-Pandemie fand das Treffen abgespeckt und rein virtuell statt. Kommentatoren fragen, wie sich Europa nun zu den USA positionieren soll - vor allem, wenn das Verhältnis zu Russland und China weiter abkühlt.
Europäern fehlt gemeinsame Stimme
Bidens Zusicherung der Allianz mit Europa ist ein guter Anfang, erklärt Hospodářské noviny:
„Doch das ist nur die halbe Miete. Es braucht auch den zweiten, den europäischen Teil des Bündnisses. Es war ermutigend, Biden im virtuellen München mit der deutschen Kanzlerin, dem französischen Präsidenten und dem britischen Premierminister zu sehen. Aber schauen wir nur ein paar Monate in die Zukunft. Es ist nicht klar, wer Angela Merkel im Herbst im Amt ersetzen wird. Noch ist nicht sicher, ob Emmanuel Macron im Elysée-Palast bleiben wird oder ob sich Biden auf Boris Johnson verlassen kann, der die Rolle des Epigonen des Trumpismus getauscht hat für ein transatlantisches Gewand. Nach Bidens 'Amerika ist zurück' liegt es an Europa, zu antworten, wer es repräsentiert.“
Es braucht mehr Mut
Amerika ist zurück, trifft aber einen äußerst schwachen Partner an, meint die NZZ am Sonntag:
„Europa ist nicht zurück. Man könnte auch sagen, Europa war nie da, seit es sich erst in zwei Weltkriegen zerstört hat und seit dem Ende des Kalten Krieges mit seiner gemeinsamen institutionellen Verwaltung beschäftigt ist. ... Die Rückkehr der USA zum Multilateralismus und zur atlantischen Allianz ist zu begrüssen, aber gleicht die Schwäche der Europäer nicht aus. ... Europa braucht klare Prinzipien und Mut zur politischen Konfrontation. Das heisst: Nur ein kleiner Kreis williger Staaten wird Europas Aussenpolitik führen. Und nur mit einem Hightech-Militär sind sie auch glaubwürdig.“
Partnerschaft heißt nicht Gefolgschaft
Wenig Überzeugendes hat Der Freitag vom US-Präsidenten gehört:
„Dass sich Biden nun der alten Verbündeten versichert, ist keine geopolitische Agenda, bestenfalls ein Verweis auf unverzichtbare Komponenten einer solchen. Und weshalb tut er das? Wozu sollen die Reihen des Westens geschlossen werden? Um sich auf Russland einzuschießen und zum Systemwettbewerb mit China anzutreten, wie das bei Biden nicht nur anklingt. Adressaten wie Deutschland oder Frankreich sollten sich schon fragen, was ihnen da zugedacht ist. Ob auf Gefolgschaft hinausläuft, was Biden als recyclte Partnerschaft schönredet. Es wäre völlig absurd, wollte sich die EU auf ein konfrontatives Verhältnis mit China als seinem wichtigsten Handelspartner einlassen, mit dem man erst im Dezember ein Investitionsabkommen vereinbart hat, das alles übertrifft, was es bisher an Übereinkünften gab.“
Schutz hat seinen Preis
Europa wird wohl nicht darum herum kommen, mit den USA in Asien militärisch zu kooperieren, spekuliert Helsingin Sanomat:
„Die USA wollen vor China und Russland nicht schwach wirken. Das wäre auch nicht im Interesse Europas. Die gemeinsamen Interessen verlangen Gespräche und die von Biden betonte Diplomatie. … Biden hat Trump abgelöst, dennoch nimmt Europas Handlungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen den USA und China weiter ab. Militär-Operationen im Pazifik zur Unterstützung der USA sind weder im Interesse der europäischen Nato-Staaten, noch der EU. Aber militärische Zusammenarbeit in Asien kann trotzdem der Preis dafür sein, dass die USA sich um die Sicherheit Europas kümmern. Fakt ist, dass Europa ohne die USA keine Abschreckung gegen Russland hat.“
Bidens Kontrahenten sind ziemlich beste Feinde
Pawel Felgengauer, Militärexperte der Nowaja Gazeta, verweist auf das Misstrauen zwischen Moskau und Peking:
„Biden hat Russland und China zusammen als die autoritären Hauptgegner der Weltgemeinschaft der demokratischen Länder dargestellt. Dabei betrachten sie sich selbst gar nicht als 'Alliierte', sondern nur als 'Partner'. China und Russland trauen sich einander nicht über den Weg, sie spionieren sich gegenseitig aus und verweigern sich gemeinsamen Rüstungsprojekten und der Teilhabe an sensiblen Technologien. ... Russlands Diplomaten sind gut im öffentlichen Verteilen von Ohrfeigen unter ausländischen Kollegen. Aber sie schaffen es nicht einmal, eine stabile und langfristige Union mit Belarus und Kasachstan aufzubauen.“