Putin und Erdoğan: Im Zweifel doch ein Zweckbündnis?
Auf das Drängen Ankaras hin haben sich Putin und Erdoğan in Sotschi getroffen. Denn in der syrischen Provinz Idlib haben russische Kampfflugzeuge in den vergangenen Wochen vermehrt Stellungen protürkischer Milizen bombardiert, trotz Waffenruhe, auf die sich die beiden Parteien im März 2020 geeinigt hatten. Journalisten deuten das Treffen, auch wenn über konkrete Ergebnisse bislang nichts bekannt wurde.
Keine echte Bromance
Polityka glaubt nicht an eine Verbrüderung:
„In Syrien stehen die Türkei und Russland auf entgegengesetzten Seiten. In Libyen unterstützt die Türkei die Regierungstruppen, während Russland General Chalifa Heftar unterstützt. Und in Berg-Karabach stand die Türkei letzten Sommer hinter dem Sieg Aserbaidschans in einem Konflikt mit Armenien, einem Verbündeten Russlands. Schlimmer noch: Der Kreml konnte den Blitzkrieg nur beobachten und trat erst gegen Ende der Eskalation als Vermittler in Erscheinung. Karabach war ein Schlag ins Gesicht - die Türkei ist in den Einflussbereich Russlands eingedrungen und hat zudem das Kräfteverhältnis verändert. ... Ganz gleich, wie sehr die Medien die Bromance zwischen Putin und Erdoğan in den Vordergrund rücken. In Wirklichkeit ist sie eher taktisch. ... Ankara ist kein gleichberechtigter Partner Moskaus, aber es hat in letzter Zeit gute Karten.“
Immerhin ein Dialog
Turkologe Juri Mawaschew lobt in Iswestija, dass die beiden Präsidenten trotz ihrer Interessenkonflikte immer wieder zusammenfinden:
„Die angespannte Lage in Idlib verlangte nach operativer Einmischung. ... Die Positionen der russischen und türkischen Führungen scheinen sich aber auch bei Afghanistan nicht zu decken. Russland setzt auf einen konstruktiven und pragmatischen Dialog mit den Taliban, der auf einer Anerkennung der Realitäten beruht. Ankara hat in dieser Richtung offensichtliche Schwierigkeiten ... Kurzum, in den russisch-türkischen Beziehungen gibt es nach wie vor genug Konflikte, und neue sind nicht auszuschließen. Dennoch bewegt man sich vorwärts, ungeachtet des internationalen Drucks - was man vom Dialog zwischen Ankara und Washington nicht behaupten kann.“
Biden hat sich ins Abseits manövriert
Der US-Präsident hat selbst dafür gesorgt, dass Erdoğan jetzt alleine mit Putin spricht, meint die regierungstreue Star:
„Man kann sagen, dass dieser Gipfel, verglichen mit den früheren, der bisher wichtigste ist. ... Denn er findet in einer schwierigen Zeit statt, die eine Folge davon ist, dass Biden sich bereits ein Jahr vor seiner Wahl mit Erdoğan angelegt hat. ... Er kündigte an, dass 'man Erdoğan aus der Regierung drängen müsste, indem man mit den Oppositionskräften kooperiere'. In den neun Monaten seit seinem Amtsantritt beharrte Biden stets auf dieser Position. Aus diesem Grund hat Erdoğan vergangene Woche auf dem Rückflug von New York auch erklärt, dass seine Beziehungen mit Biden so schlecht sind, wie er es mit den früheren amerikanischen Präsidenten niemals erlebt hat.“