Polen: Per Mediengesetz gegen Regierungskritik
Polens Parlament hat am Freitag überraschend ein neues Rundfunkgesetz verabschiedet. Dieses soll Fernsehsender vor Übernahmen aus nicht-europäischen Ländern schützen. Einziger Fernsehsender mit Eigentümern außerhalb der EU ist derzeit der regierungskritische Sender TVN, der zum US-Konzern Discovery gehört. Am Sonntag gab es in über 100 Städten Proteste gegen das Gesetz.
Es geht allein um Parteiinteressen
Der Chefredakteur der Rzeczpospolita, Bogusław Chrabota, beschreibt seine persönliche Enttäuschung über die PiS:
„Die so genannte Lex TVN, die am Freitag unter Missachtung parlamentarischer Verfahren plötzlich verabschiedet wurde, ist ein gutes Beispiel für die schlimmsten Züge der Politik der Regierungspartei: Sie lässt sich nicht von der Staatsräson, sondern ausschließlich von Parteiinteressen leiten, sie ignoriert die strategischen Interessen des Staats, sie handelt unerwartet und mit der perfekten Disziplin ihrer Parlamentsmehrheit, die sie in eine willenlose Abstimmungsmaschine verwandelt hat. ... Und schließlich etwas persönliche Bitterkeit. Wo seid ihr heute, meine ehemaligen Freunde in der PiS aus der Zeit, als wir gemeinsam von einem starken, demokratischen, klugen und in Europa bedeutenden polnischen Staat träumten? Wofür habt ihr diese Vision verkauft und für wen?“
Wenn die Freunde nicht richtig hinschauen
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kann es nicht fassen, dass Polen jetzt das Verhältnis zu den USA und zur EU durch eine Attacke auf die Medienfreiheit beschädigt:
„[A]usgerechnet in dem Moment, in dem die Gefahr eines russischen Überfalls auf Polens östlichen Nachbarn Ukraine so groß ist wie seit 2014 nicht mehr ... . Spricht daraus die Hoffnung, angesichts der großen Herausforderung durch Putin würden Amerika und die übrigen Europäer weder Zeit noch Nerven dafür haben, sich mit einer kleinen Attacke auf die Medienfreiheit beim größten EU- und Nato-Mitglied in Ostmitteleuropa zu befassen?“
Staatsfernsehen manipuliert Millionen
Gazeta Wyborcza ist schockiert über die Desinformationspolitik des Staatsfernsehens:
„Kein Wort über die Demonstrationen in ganz Polen zur Verteidigung von TVN. Und kein Wort darüber, dass am Sonntag nach 19.00 Uhr bereits über 1,2 Millionen Unterschriften unter einem Aufruf zur Verteidigung von TVN vorlagen. Der Hauptfernsehsender TVP1 informiert seine Zuschauer also bewusst und vorsätzlich falsch. Diese Sendung wird im Durchschnitt von 2,88 Millionen Menschen gesehen. Jeder von ihnen hat das Recht, sich manipuliert zu fühlen.“