Putin und Xi: Blockbildung als Bedrohung?
Kein Handschlag wegen Corona, aber ein eindeutiger Schulterschluss: Russlands Präsident Putin und Chinas Staatschef Xi demonstrierten bei ihrem Treffen in Peking Einigkeit gegen den Westen. Sie betonten geopolitische Gemeinsamkeiten, lehnten eine Nato-Erweiterung ab, kritisierten den "Missbrauch" demokratischer Werte und schlossen einen neuen Gasliefervertrag. Europas Presse nimmt diese Entwicklung mit Sorge wahr.
Gefahr für Demokratien weltweit
Mit großer Sorge blickt Hospodářské noviny auf die Annäherung:
„Putin und Xi haben ein großes, umfassendes und strategisches Interesse: eine Welt zu demontieren, die auf den Regeln aufgebaut ist, die in den letzten Jahrzehnten von Demokratien festgelegt wurden. Dabei hilft den Präsidenten Chinas und Russlands eine Welle autoritärer Regierungen, die seit der Finanzkrise 2008/2009 über die Welt fegt. ... Der weltweit erbärmliche Zustand der Demokratie zeigte sich auch bei der Eröffnung der Olympischen Spiele. Die wurde durch den Boykott demokratischer Politiker zu einer Parade von Politikern, die sich zu Regierungen der harten Hand bekennen. Von den 21 anwesenden Staats- und Regierungschefs kamen nur acht aus Ländern, die man als Demokratien bezeichnen kann.“
Gemeinsam die Welt erobern
China und Russland verstehen sich so gut wie lange nicht, meint der Historiker Marius Oprea in Mediafax:
„Bei dieser Allianz, die eigentlich gegen die USA gerichtet ist, handelt es sich in der Tat um eine historische Partnerschaft 'ohne Wenn und Aber', wie es Putin und Xi Jinping verkündet haben. Die Vergangenheit ist begraben. China und Russland wollen gemeinsam die Welt erobern. Die angekündigten Wirtschaftsabkommen und strategischen Vereinbarungen über Ressourcen und Technologien machen die beiden Supermächte zu einer globalen Supermacht. Hinzu kommen weniger transparente Abkommen militärischer Natur, die nur eines zeigen können: dass Peking Moskau in seinem Konflikt mit dem Westen unterstützt.“
Vereint in der Drohgebärde
Das demonstrative Einverständnis zwischen Xi Jinping und Wladimir Putin beruht vornehmlich auf ihrem gemeinsamen Feindbild, resümiert La Repubblica:
„Zum ersten Mal hat China direkt zum Atlantischen Bündnis Stellung bezogen und ein Ende seiner Expansion in Osteuropa gefordert. Es griff zudem den Westen an und verlangte ein Ende aller Maßnahmen zur Förderung der Demokratie, zur Globalisierung der Rechte und zur Unterstützung der Freiheitsforderungen von Ukraine über Georgien bis nach Kasachstan. Xi Jinping sprach über die Ukraine, doch hatte er Taiwan im Blick.“
Xi benutzt Putin
Ob der Westen die russisch-chinesische Allianz fürchten muss, erörtert Der Tagesspiegel:
„Putin und Xi verbindet das Interesse, den USA Grenzen der Macht aufzuzeigen. Sie sind aber keine Partner auf Augenhöhe. Russland ist China weit unterlegen, mit Ausnahme des Militärs. Xi benutzt Putin, wo er ihm nützlich ist. ... Je länger Putin Joe Bidens Aufmerksamkeit in der Ukraine bindet, desto weniger Energie bleibt dem für die Konkurrenz mit China in Asien, zu Xis Freude. ... China ist ein weit mächtigerer Gegner als Putin. Doch die Lehre ist dieselbe: Die Demokratien in Europa, Amerika und Asien müssen Drohungen gegen eine von ihnen geschlossen entgegentreten. Dann haben sie die Chance, sich zu behaupten.“
Vorteil für Kyjiw
Der Direktor des New Geopolitics Research Network, Michajlo Samus, meint in Ukrajinska Prawda:
„Die Herausbildung neuer 'Pole', in denen Russland nicht auf der Seite Europas und der USA steht, ist eine Chance, den russischen Einfluss in der EU zu verringern. Und in der Folge wird sich die Haltung des Westens gegenüber der Ukraine ändern, das heißt, die Integration mit Europa und dem Atlantik wird sich beschleunigen. ... Vergessen wir auch nicht, dass China sehr spezifische Interessen in Bezug auf Russland hat, und deshalb kommt da auf Russland eine turbulente Phase zu, in der ein 'Verbündeter' Russland in aller Ruhe ganz fest in seine Arme schließen kann. ... Für den Westen, im Gegensatz zu uns, sind die Risiken hier viel größer.“
In Europa wäre die Türkei der bessere Partner
Was Putins Ukraine-Problem anbelangt, hat Ankara womöglich mehr zu bieten als Peking, meint Daily Sabah:
„Eines ist klar: Putin hat sich inmitten der Spannungen mit USA und Nato gerade strategischen Spielraum verschafft. Allerdings ist China nicht in der Lage, Russlands Sicherheitsbedenken in Europa konkret zu unterstützen. Gleichzeitig braucht der russische Präsident in der Ukraine-Krise neue Initiativen, darunter das Vermittlungsangebot der Türkei. Ankara könnte Kyjiw warnen, sich nicht von den Äußerungen des Westens hinreißen zu lassen, und Moskaus Bemühungen unterstützen, neue Wege zur Beendigung der Krise zu finden.“