Was folgt aus Moskaus Gas-Dekret?
Der Kauf von russischem Gas muss künftig über ein Konto bei der Gazprombank bezahlt werden. Das sieht ein russisches Dekret vor, das zum heutigen Freitag in Kraft tritt. Moskaus Forderung, diese Käufe in Rubel abzuwickeln, lehnen wichtige Abnehmer wie Deutschland und Frankreich weiterhin kategorisch ab. Wem das Dekret letztlich mehr schadet, beurteilt Europas Presse höchst unterschiedlich.
Der Kreml braucht für den Krieg keine Euro
Die EU sollte im Zweifel auch in Rubel zahlen, empfiehlt die taz:
„Europa braucht die russische Energie; in Deutschland macht sie 50 Prozent der Importe aus. Umgekehrt benötigt Putin die westlichen Devisen nicht, um seinen Krieg zu führen, denn bei Nahrungsmitteln, Energie und Waffen ist Russland autark. ... Es wäre zwar ein Propagandaerfolg für den russischen Präsidenten, wenn Rubel aus dem Westen rollen - aber im realen Krieg würde ihm das nicht weiterhelfen. Seine Armee ist weiterhin zu schwach, um die ganze Ukraine zu besetzen. Außerdem bleibt die Offensive so astronomisch teuer, dass die Inflation in Russland außer Kontrolle gerät. Daran ändert sich nichts, wenn der Westen in Rubel zahlt.“
Europa darf sich nicht erpressen lassen
Sollte Europa jetzt einknicken, geriete es in eine Falle, warnt Lidové noviny:
„Die Europäer haben es mit Blick auf die Verträge abgelehnt, anders als in Euro oder Dollar zu bezahlen. Selbst auf die Gefahr hin, dass man auf das Gas verzichten muss. Deutschland und Frankreich haben sogar begonnen, sich auf einen Lieferstopp und ein mögliches Rationierungssystem vorzubereiten. Wenn die Europäer die Zahlung für Gas in einer anderen als der in den Verträgen vereinbarten Währung akzeptieren würden, würde dies bedeuten, dass Putin die Verträge von Tag zu Tag ändern könnte, wie er es wünscht. Beispielsweise durch die Reduzierung des Liefervolumens oder die Erhöhung des Preises. Das wäre für die Wirtschaft schlimmer, als ganz ohne russisches Gas auszukommen.“
Eigentor für russische Wirtschaft
Wenn Europa als Folge des Dekrets kein Gas mehr kauft, leidet vor allem Russland, so Financial Times:
„Es könnte zwar noch ein wenig seine Speicher befüllen, aber ohne einen anderen Abnehmer für das Gas aus Westsibirien, müsste die Gasgewinnung gedeckelt werden. Analysten sagen, dass die Gasfelder darunter leiden würden und die Wiederinbetriebnahme teuer und schwierig wäre. ... Russlands Präsident mag das Gefühl haben, dem Westen eins auszuwischen, indem er ihn zwingt, in Rubel zu zahlen. Aber durch die Umschreibung von Verträgen wird er das Vertrauen in Moskau als Gaslieferant nur weiter beschädigen. Selbst wenn einige Sanktionen als Teil eines Friedensabkommens mit der Ukraine aufgehoben werden, wird Europa entschlossen bleiben, die Abhängigkeit von russischem Gas zu beenden.“
Putin macht einen Fehler nach dem anderen
Der russische Präsident hat mal wieder die Lage falsch eingeschätzt, kommentiert der bulgarische Dienst der Deutschen Welle:
„Übrigens hat sich der Kreml-Machthaber in letzter Zeit oft verrechnet. Er hat seine Chancen beim Einmarsch in die Ukraine falsch eingeschätzt, die Stärke der ukrainischen Armee, die Reaktion der ukrainischen Gesellschaft, den Zusammenhalt des Westens, die Brutalität der Sanktionen und das Ausmaß, in dem westliche Unternehmen russische Märkte verlassen würden. Jetzt hat Putin erneut einen Fehler gemacht, indem er die Bereitschaft der großen westlichen Nationen unterschätzt hat, russisches Gas, selbst wenn es ihnen erhebliche wirtschaftliche Verluste zufügt, aufzugeben.“
Gaslieferungen und Gesichter werden gewahrt
Die Konzerne werden sich mit ihren Forderungen bei den westlichen Politikern durchsetzen, prognostiziert die Wirtschaftszeitung Wedomosti:
„Kurzfristig gesehen haben die Europäer keinen Spielraum, um auf russisches Gas zu verzichten. Die vorgeschlagenen Alternativen zu russischen Lieferungen sind meist absolut untauglich, da sie mengenmäßig nicht ausreichen. Deshalb ist anzunehmen, dass in den nächsten Tagen das europäische Business der Politik Optionen zur Erfüllung der russischen Forderungen vorschlägt, worauf EU-Diplomaten sie zu einer beidseitig akzeptablen Lösung ausformulieren, die allen erlaubt, ihr Gesicht zu wahren. Voraussichtlich wird es um die Schaffung einer Vermittlungsstruktur gehen, die Euro und Dollar in Rubel konvertiert.“