G7-Staaten versprechen weitere Hilfen für Kyjiw
Bei ihrem Gipfeltreffen auf Schloss Elmau haben die Staats- und Regierungschefs der führenden Industriemächte des Westens ein tatkräftiges Vorgehen gegen Russland angekündigt. Sie beschlossen weitere Unterstützung für die Ukraine - "solange es nötig ist". Zudem wollen sie Schwellen- und Entwicklungsländer mit einem Investitionsprogramm von rund 567 Milliarden Euro fördern. Was kann das bewirken?
Italienische Linie geschwächt
In der Abschlusserklärung wird die Entscheidung über eine Deckelung der Energiepreise, die insbesondere von Italiens Premier Draghi angestrebt wird, bestenfalls wieder verschoben werden, stöhnt La Stampa:
„Die Tatsache, dass sich Draghi bei der Sitzung der Siebenundzwanzig in der vergangenen Woche nicht durchsetzen konnte, schwächt die italienische Linie. Biden ist prinzipiell dafür, aber er ist nicht bereit, Druck auf Scholz und - eigentlich - auf alle europäischen Partner auszuüben. Die Verpflichtung, die Draghi abringt, ist ein Mandat an die G7-Energieminister, 'dringend die Anwendung einer Preisobergrenze' für Energieprodukte zu prüfen. Die Dringlichkeit dient dem Premier dazu, den Druck auf die 27 aufrechtzuerhalten, die entschlossen sind, alles bis Oktober zu verschieben.“
Im Widerspruch zu den Marktgesetzen
Kommersant glaubt nicht, dass der von den USA vorgeschlagene gedeckelte Ankaufspreis für russisches Öl funktionieren kann:
„Wie utopisch diese Konzeption ist, erkennt jeder vernünftige Mensch, der auch nur einmal mit staatlichen Versuchen konfrontiert war, Preise auf irgendeine gefragte Ware festzusetzen - egal ob Zucker, Benzin oder Dollars. Die Gesetze der Wirtschaft sind genauso beharrlich wie die der Physik: Wenn die Nachfrage nach einer Ware wächst, steigt auch ihr Preis. Und wenn man versucht, diesen Preis künstlich zu senken, entstehen ein Defizit und ein Schwarzmarkt, auf dem der Preis noch höher sein wird, weil die Marktteilnehmer die mit den Beschränkungen verbundenen Zusatzausgaben und gestiegenen Risiken einkalkulieren.“
Erste Schritte zur neuen Weltordnung
Die Frankfurter Rundschau lobt Olaf Scholz dafür, auch die Staats- und Regierungschefs von Indien, Senegal, Südafrika, Argentinien und Indonesien eingeladen zu haben:
„[A]uch wenn es in Elmau noch nicht zur großen Verbrüderung kommt – Scholz geht mit seiner Idee von einer neuen Weltordnung voran: Er will Demokratien zusammentrommeln gegen Russland – und auch gegen China. Fast alle G7-Staaten wollen Peking mit einer Investitions-Initiative für ärmere Länder Konkurrenz machen. Mag auch dieser G7-Gipfel wieder teuer und nicht klimabewusst sein – eine Quatschbude ist er nicht.“
Pekings Tempo ist nicht immer ratsam
Die Neue Zürcher Zeitung warnt angesichts der angekündigten G7-Investitionsoffensive von 600 Milliarden Dollar vor einer Versuchung:
„China hat bei Entwicklungsexperten den Ruf, bei der Gewährung von Geldern, mit denen sie andere Staaten an sich binden, vermeintlich grosszügig vorzugehen. Während die Europäer noch über der Wirtschaftlichkeit eines Projekts brüten, Hilfe zur Selbsthilfe bieten und über Umweltauflagen verhandeln würden, seien das chinesische Geld und nicht selten auch ein chinesischer Bautrupp längst vor Ort, ist zu hören. Damit liegt die Versuchung für den Westen nahe, im Wettlauf mit China gelegentlich ein Auge zuzudrücken und einen Kredit lieber schnell als gar nicht zu gewähren. Doch dieser Versuchung sollten die EU und die G-7-Staaten widerstehen.“
Völlig überflüssige Runde
Die G7-Treffen sind absolut nutzlos, kritisiert die Wirtschaftszeitung Les Echos:
„Was vorher nicht gelöst wurde, wird es in ihrem Verlauf auch nie. Die G7 sollten das Pariser Abkommen vertiefen? Wir erleben die große Rückkehr der Kohle. Sie sollten versuchen, den Krieg zu stoppen? Sie fahren sich fest wie nie zuvor und der Ausschluss Putins aus dem kurzlebigen G8 nach seinem Einmarsch auf der Krim hat ihn kaum entmutigt, weitere Schritte zu vollziehen. Sie sollten die Zuspitzung des Kalten Kriegs zwischen Peking und Washington verhindern? Das Gegenteil geschieht, denn Xi Jinping hat vor drei Tagen einen Konkurrenzgipfel der Brics-Staaten mit Putin abgehalten.“
Gruppe der Sieben ist längst nicht mehr so stark
Der Westen hat seit den 1990er Jahren massiv an Wirtschaftskraft und damit auch an politischem Gewicht eingebüßt, konstatiert Ökonom Lukáš Kovanda auf Echo24:
„Vom G7-Gipfel ist nichts Bahnbrechendes zu erwarten. Die wirksamen Sanktionen, die der Westen zur Verfügung hatte, sind bereits in Kraft. Ihre Auswirkungen auf Russland sind spürbar, aber nur schrittweise. Was sie jedoch schwächt, ist, dass die Länder des Westens die Welt wirtschaftlich nicht mehr so dominieren wie in den 1990er Jahren. Wenn Volkswirtschaften wie China, Indien, Indonesien, Saudi-Arabien und andere ins Boot mit den Sanktionen gegen Russland geholt werden könnten, wären diese unendlich effektiver. Aber das wird nicht passieren.“
Die Gelegenheit, Putin zu stoppen
Der G7-Gipfel bietet die Chance, eine größere Allianz gegen Russland zu schmieden, kommentieren die Politologinnen Dina Smeltz und Susi Dennison in La Libre Belgique:
„Um den erbitterten Kampf der Ukraine zu würdigen und den durch die internationalen Sanktionen aufgebauten wirtschaftlichen Druck zu verstärken, müssen die G7-Staaten nun die militärische Unterstützung intensivieren und die Sanktionen verschärfen. Ein starkes transatlantisches Bündnis wird nicht ausreichen, um das internationale System zu mobilisieren und Russland zur Verantwortung zu ziehen. Aber es kann eine solide Grundlage bilden, um andere globale Partner anzuspornen, sich zusammenzuschließen und eine Chance auf Frieden und Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten.“
In der neuen Weltordnung einrichten
Das Bündnis bringt zumindest etwas Stabilität ins globale Chaos, meint der Tages-Anzeiger:
„Wenn die G7-Gäste von Argentinien über Indien bis Senegal verstehen, dass ihr Nutzen an der Seite des geregelten Freihandels und der Demokratien grösser ist, dann wäre ein Erfolg im Zeitalter der neuen Blockbildung verbucht. ... Eine Rückkehr zur Globalisierung der Nuller- und Zehnerjahre wird es nicht geben. Russland hat sich aus dem Kreis der westlichen Staatenwelt verabschiedet. China hat sich entschieden (zumindest unter Xi Jinping und auf jeden Fall bis zum nächsten Parteitag), das Spaltungsspiel auf der Seite Putins mitzuspielen. Den G7-Gesellschaften bleiben also nicht viele Optionen: Sie müssen sich in der neuen Weltordnung einrichten und die Schläge abfedern.“
Obergrenze für russisches Öl durchsetzen
Corriere della Sera hofft auf klare Worte zur Idee eines Preisdeckels für Erdöl:
„Es besteht nach wie vor eine gewisse Ungewissheit über den US-Vorschlag, eine Preisobergrenze für russisches Öl einzuführen, was den doppelten Effekt hätte, die Finanzierungskapazität Russlands zu begrenzen, aber auch die Auswirkungen auf die Energiepreise im Westen abzufedern. Die von Biden vorgeschlagene und von Frankreich und Italien unterstützte Idee stößt auf deutscher Seite noch auf Vorbehalte. ... Um wirksam zu sein, müsste die Maßnahme von einer großen Zahl von Ländern angewandt werden, die weit über die G7-Staaten hinausgehen, angefangen bei den 27 Ländern der Europäischen Union.“