Was hat Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft gebracht?
Frankreich hat am Donnerstag die EU-Ratspräsidentschaft an die Tschechische Republik übergeben. Unter Frankreichs Federführung lag das Augenmerk auf Themen wie Energiewende, der Regulierung digitaler Dienste und dem Grenzschutz. Zudem drängte Paris auf eine geschlossene Haltung zu Russlands Krieg gegen die Ukraine. Europas Presse zieht eine gemischte Bilanz.
Erfolgreiche Entschlossenheit
Die wichtigste Leistung der französischen Ratspräsidentschaft hebt Le Temps wie folgt hervor:
„Die Beibehaltung und sogar die Stärkung der europäischen Einheit. Das war nicht selbstverständlich auf einem Kontinent, der hin- und hergerissen ist zwischen Osten und Westen, Norden und Süden, zwischen 'Pazifisten' und 'Kriegstreibern', Pro-Europäern und Euroskeptikern, in der Klima- und Coronakrise et cetera. Selbstverständlich ist dieser Erfolg nicht das Ergebnis einer simplen französischen Ratspräsidentschaft. ... Die Gesamtheit der EU-Staaten trägt dazu bei und das Handeln von EU-Kommission und EU-Parlament sind ebenso entscheidend. Doch hätte die EU ohne die Entschlossenheit Frankreichs, im Einvernehmen mit Deutschland, der Ukraine ihre Tore geöffnet?“
Macrons Autorität geschwächt
Der französische Präsident glänzte während des sechsmonatigen Ratsvorsitzes nicht rundum, analysiert Le Monde:
„Dass die Bilanz in vielen Bereichen positiv ist, darf jedoch nicht daran hindern, die Grenzen von Emmanuel Macrons Führungsrolle in einem Europa mit sich verändernden Kräfteverhältnissen zu hinterfragen. Der Wunsch von Frankreichs Staatsoberhaupt, Russland 'nicht zu demütigen', und sein Bemühen, eine offene Leitung zum Kreml aufrechtzuerhalten, haben zu einer Schwächung seiner Autorität in einem Teil des Kontinents - in Polen und den baltische Staaten - geführt, der sich für eine Fortführung des Kriegs bis zur Niederlage Russlands einsetzt, wohingegen Frankreich, Deutschland und Italien einen gemäßigteren Kurs befürworten.“
Weiterhin dringender Reformbedarf
Ein wichtiges Anliegen konnte Paris nicht durchbringen, bedauert die Wirtschaftszeitung Les Echos:
„Die Reform der globalen Unternehmensbesteuerung wurde vorm Überwinden der letzten Hürde von Ungarn blockiert. Diese x-te Erpressung durch Viktor Orbán ist allerdings auch ein Geschenk für die Verfechter einer Reform der Einstimmigkeitsregel, die in vielen Bereichen gilt und sich als nicht praktikabel herausgestellt hat, insbesondere bei Steuerangelegenheiten. Die Weiterentwicklung der Institutionen wird noch notwendiger, weil die 27 EU-Staaten künftig voraussichtlich neue Mitglieder aufnehmen werden.“