Eine globale Mindeststeuer gegen Steuervermeidung?
US-Finanzministerin Janet Yellen wirbt für eine globale Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne - auch vor dem Hintergrund von Joe Bidens Plan, diese Steuer in den USA von 21 auf 28 Prozent zu erhöhen. Ist der Vorschlag geeignet, multinationale Konzerne auszubremsen, die ihre Gewinne künstlich in Länder mit niedrigen Unternehmenssteuern verlagern? Europäische Kommentatoren sehen gute Chancen.
Wettbewerb führt zu einer Abwärtsspirale
Die Gewinne von Unternehmen wurden in den letzten Jahrzehnten immer niedriger besteuert, erläutert La Stampa:
„In den OECD-Ländern lag die durchschnittliche Steuer auf Unternehmensgewinne Mitte der 1980er Jahre bei rund 42 Prozent. Derzeit liegt sie unter 25 Prozent. Entscheidend für den Rückgang war die Konkurrenz, der sich die 200 Länder der Welt stellen mussten, um durch niedrigere Steuern Unternehmen anzuziehen, die im Zuge der Globalisierung immer 'mobiler' geworden waren. Diese Mobilität bei der Verlagerung von Gewinnen von einem Land in ein anderes spiegelte zum Teil Phänomene der Steuervermeidung wider, zum Teil die reale Verlagerung der produktiven Tätigkeit dorthin, wo die Steuern niedriger waren. Tatsache ist, dass dieser Wettbewerb zu einer Senkung des Steuersatzes auf Gewinne geführt hat.“
Oasen gemeinsam austrocknen
Für Deutschland und die EU ist der Kurswechsel der USA eine historische Chance, kommentiert die Süddeutsche Zeitung:
„Sie sollten viel Energie darauf verwenden, eine Vereinbarung auszuhandeln, die möglichst allen nützt … . Im digitalen Zeitalter, in dem niemand mehr genau sagen kann, an welchem geografischen Ort genau eine Dienstleistung erbracht wird, ist eine gleichmäßige, effiziente Besteuerung von Unternehmen nur international möglich. Die Mindeststeuer sollte den Wettbewerb der Steuersysteme zwischen Staaten weiter ermöglichen, aber einen Wettlauf der Steuersätze nach unten verhindern, damit Regierungen sich solide finanzieren können. Es wäre vielleicht nicht schon das Ende der Steueroasen, würde deren Bedeutung jedoch minimieren. ... Man sollte Janet Yellen beim Wort nehmen.“
Die Pandemie bewirkt auch Gutes
Yellens Vorschlag beruht auf einer Einsicht, zu der die USA vielleicht ohne Covid-19 nicht gekommen wären, freut sich Avvenire:
„Niemand hätte gedacht, dass es eines Virus bedarf, um die Regierung des mächtigsten Staates der Welt zu überzeugen, ihre sozioökonomische und geopolitische Strategie drastisch zu ändern und den Reichsten in die Tasche zu greifen, um die Verschärfung der Ungleichheiten zu stoppen. ... Doch dies ist ein Vorgeschmack auf die von Janet Yellen angekündigte Linie. … Mit der Aussage, das Motto 'America first' dürfe nicht zu 'Amerika allein' werden, wies Yellen zudem darauf hin, dass die USA in einer so vernetzten Welt das fiskalische Spiel nicht allein spielen können. Deshalb [dieser Vorschlag], um den Wettlauf nach unten bei den Steuersenkungen zu stoppen.“