Bulgarien und Rumänien: Reif für Schengen?
Beim Treffen des Rats für Justiz und Inneres der EU am heutigen 8. Dezember wird darüber abgestimmt, ob Kroatien, Bulgarien und Rumänien ab 2023 zum Schengen-Raum gehören sollen. Eine Schengen-Erweiterung erfordert einen einstimmigen Beschluss. Wegen Bedenken in Sachen Migrationspolitik und Korruptionsbekämpfung sind Österreich und die Niederlande gegen den Beitritt Bulgariens, Österreich zudem gegen den Rumäniens.
Nehammers Populismus schadet Österreichs Ansehen
Die Tageszeitung Der Standard findet das angedrohte Wiener Veto völlig unverhältnismäßig:
„Es ist tatsächlich nicht nachzuvollziehen, weshalb Nehammer ausgerechnet Rumänien dafür 'bestrafen' will, dass heuer so viele Migranten nach Österreich kamen. Der rumänische Präsident Klaus Iohannis verwies darauf, dass weniger als drei Prozent der illegalen Migranten, die in Österreich Asyl beantragen, vorher Rumänien durchquert haben. Andererseits hinterlassen jährlich 370.000 rumänische Touristen 250 Millionen Euro in österreichischen Hotels und Restaurants. ... Nehammers Populismus schadet jedenfalls dem Image Österreichs in Rumänien enorm. Er unterschätzt auch völlig, wie schnell man Beziehungen und Vertrauen, die jahrelang aufgebaut wurden, zerstören kann.“
Ein misslicher Wiener Walzer
Jurnalul National sieht die rumänisch-österreichischen Beziehungen am Tiefpunkt:
„Es muss präzisiert werden, dass Österreich von Rumänien einschließlich Präsident Klaus Iohannis weitere Garantien für die Sicherheit der Grenzen verlangt, damit organisierte kriminelle Banden, die Migranten aus Ghana, der Ukraine oder Albanien schleusen, zerschlagen werden können. …. Die Regierung in Bukarest weiß, dass Wien bis zum Schluss Widerstand leisten wird und hat daher eine Kampagne gestartet, um Österreich mit Russland und seinem berüchtigten Anführer Wladimir Putin in Verbindung zu bringen. Für Rumänien ist der Misserfolg mit Österreich nicht mehr als ein letzter Wiener Walzer am Rande des Abgrunds.“
Keine konstruktive Haltung
Die niederländische Regierung verpasst die Gelegenheit, ihren Widerstand als Hebel einzusetzen, klagt De Volkskrant:
„Die Koalition sucht vor den wichtigen Provinzwahlen [im März 2023] nach Wegen, die Migration zu begrenzen. Da kommt es natürlich nicht gut an, Grenzkontrollen im Osten weiter zu lockern. ... Die Niederlande haben natürlich jedes Recht, die scheiternde europäische Asylpolitik zur Diskussion zu stellen. ... Ein Land, das nun die Gelegenheit ergreifen würde, bessere Absprachen in Sachen Grenzbewachung, Anmeldezentren an den Außengrenzen, Rückführungsregeln und europäische Solidarität zu fordern, könnte mit Recht über Schengen diskutieren und vielleicht sogar etwas erreichen. Sicher mehr, als wenn es nur stumm in der Ecke sitzt und mault, weil der Rest der Gruppe in eine andere Richtung will.“
Selbst schuld
Bulgarien verdient es eben nicht, in den Schengen-Raum aufgenommen zu werden, klagt Sega:
„Es hat keinen Sinn zu fragen, warum wir aus Schengen ausgeschlossen werden sollen. Der Grund ist klar: Wir sind keine echte Demokratie. Unsere Politiker, die seit mehr als 12 Jahren an der Macht sind, haben uns schamlos vorgegaukelt, dass wir ein demokratisches Land sind. Schlimmer noch, sie belügen auch die Europäische Union. Aber die Wahrheit kommt immer ans Licht. ... Wir sind selbst schuld, dass wir diese politischen Parasiten nicht längst weggefegt haben. Sie haben uns unser Leben gestohlen. Und jetzt wollen sie das Leben und die Zukunft unserer Kinder stehlen.“
Widerstand von mehreren Seiten
G4Media.ro macht sich nicht zu große Hoffnungen:
„Trotz der klaren Unterstützung Deutschlands und Frankreichs müssen die Niederlande und Schweden – die beide innenpolitische Einwände haben – noch überzeugt werden. Und vor einer Woche tauchte ein weiteres Hindernis auf: Österreich. Wien ist mit der großen Zahl von Migranten, die über die Balkanroute kommen, überfordert und will Schengen reformieren, statt es zu erweitern. Österreich will auf EU-Ebene die Verabschiedung eines neues Migrations- und Asylpaktes erreichen und droht mit einem Veto gegen die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in den Schengenraum. ... Bukarest steht im Schach, schwer vorstellbar, dass das bis zum Treffen des EU-Rates für Justiz und Inneres am 8. Dezember gelöst sein wird.“
Gegen uns lässt sich gut Stimmung machen
Webcafé hat seine Zweifel, ob die Niederlande und Österreich noch von ihrem Veto abrücken:
„Das niederländische Parlament hat eine Resolution verabschiedet, in der es die Regierung auffordert, keine irreversiblen Schritte zur Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in den Schengen-Raum zu unternehmen, bis nicht genügend Informationen zur Grenzüberwachung und zur Eindämmung von Korruption und organisierter Kriminalität vorliegen. ... Es ist nicht klar, ob Den Haag und Wien uns unterstützen würden, selbst wenn sie solche Beweise hätten, wenn man bedenkt, dass das Thema der Mitgliedschaft Bulgariens und Rumäniens in den internen politischen Kämpfen in den Niederlanden und Österreich gern verwendet wird.“
Bulgariens Politik selbst schuld an Skepsis
Die technischen Kriterien für einen Beitritt erfüllt Bulgarien schon seit elf Jahren, doch seine Politiker haben es nicht geschafft, das Vertrauen der EU-Partner zu gewinnen, kritisiert Club Z:
„Unsere politische Klasse hätte sich in diesen elf Jahren darauf konzentrieren können, dieser Skepsis entgegenzuwirken. ... Sie hat das Gegenteil getan. ... Wie wollen wir, dass man uns vertraut, wenn sich die gesamte bulgarische Innenpolitik darum dreht, wer der größere Gangster ist? Wenn die erste Amtshandlung des neuen Premiers darin besteht, seinen Vorgänger ohne Rechtsgrundlage zu verhaften? Ist das Europa, mit Verlaub? Ist es nicht, es ist die Dritte Welt. Und vor diesem Hintergrund wollen wir, dass Europa uns den Schlüssel zu seiner Außentür gibt?“