Peking lockert Null-Covid-Maßnahmen
Chinas Regierung hat auf die massiven Proteste gegen seine Null-Covid-Politik reagiert und will die geltenden Regeln nun lockern. Unter anderem können sich Infizierte künftig zu Hause isolieren statt in staatliche Quarantäneeinrichtungen zu gehen. Zudem sollen Lockdowns lokal begrenzt werden und nicht mehr ganze Städte oder Landstriche betreffen.
Xis Schwäche ausnutzen
Bei ausreichend Gegenwind knicken die Mitglieder der Führungselite in Peking also ein, beobachtet The Daily Telegraph:
„Wenn sie dazu gebracht werden können, ihre Herangehensweise an wichtige innenpolitische Themen zu überdenken, warum sollten sie nicht davon überzeugt werden können, ihre aggressive Haltung zu globalen Themen wie der Taiwan-Frage zu überdenken? Das sollten westliche Politiker berücksichtigen, wenn sie ausloten, wie Pekings Weltherrschaftsambitionen am besten einzudämmen wären. ... Die Kommunistische Partei Chinas steht ihrer schwierigsten Prüfung seit den Protesten auf dem Tiananmen-Platz 1989 gegenüber. Vielleicht wird es nie eine bessere Gelegenheit geben, Xi Jinping wissen zu lassen, dass sein autoritäres Gebaren Grenzen hat.“
Weitergehende Lockerungen wären riskant
In China sind die Voraussetzungen für ein Ende der Schutzmaßnahmen nicht gegeben, meint hvg:
„Das Impfen wurde in China vernachlässigt. ... Man ist nicht bereit, westliche mRNA- Impfstoffe zu verwenden, sondern nur die einheimischen Impfstoffe mit geringerer Wirksamkeit. ... Sowohl die durch die Impfung hervorgerufene künstliche Immunität als auch die durch überstandene Infektion erworbene natürliche Immunität [in der Bevölkerung] reichen nicht dafür, das gesellschaftliche Leben wieder zu öffnen. ... Die von den Demonstranten geforderte Lockerung könnte also zu einem Chaos führen, das die Kommunistische Partei Chinas vermeiden will.“
In der Sackgasse
Es gibt nur einen Ausweg aus der Krise, die Xi Jinping selbst herbeigeführt hat, urteilt Le Point:
„Xi Jinping hat die Wahl zwischen zwei unhaltbaren Lösungen. Entweder er verlängert und verschärft die Null-Covid-Strategie zum Preis einer stagnierenden Wirtschaft, wachsender sozialer Ressentiments und einer zunehmenden Kluft zwischen der Kommunistischen Partei und der Bevölkerung. ... Oder er hebt die Beschränkungen auf, was zu mindestens einer Million Todesfälle führen würde, wenn er nicht bereit ist, westliche Impfstoffe einzuführen.“
Die Frustration liegt tief
Tygodnik Powszechny schreibt:
„Es ist noch zu früh, zu beurteilen, ob die getroffenen Maßnahmen die öffentliche Meinung beruhigen werden. Die Slogans, die in letzter Zeit auf den Straßen der chinesischen Städte zu hören waren, lassen sich nicht so leicht aus dem öffentlichen Gedächtnis verbannen. Sie berühren Schichten der Frustration, die viel tiefer liegen als die, die durch die Pandemie verursacht wurden. Als am dritten Tag nach dem Ende der Proteste die Nachricht vom Tod Jiang Zemins, dem Präsidenten des Landes von 1993 bis 2003, die Runde machte, wurde das Internet von einer Welle der Sehnsucht nach dem China von damals überschwemmt, das zwar ärmer war als heute, sich aber sehr schnell entwickelte und den Menschen gleichzeitig mehr Freiheiten gewährte. Diese Gefühle sind auch eine Form des Protests gegen den autoritären Kurs von Xi Jinping.“