London: Mit allen Mitteln Flüchtlingsboote stoppen?
Die britische Regierung plant eine drastische Verschärfung des Asylrechts, um Menschen abzuschrecken, die mit Booten über den Ärmelkanal die Einreise versuchen. Irregulär Eingereiste sollen ohne richterliche Überprüfung abgeschoben werden, in ihr Herkunftsland oder ein Drittland. Weil das Gesetz dem internationalen Recht auf Asyl widerspricht, sind Kommentatoren überwiegend skeptisch, ob der Plan überhaupt realistisch ist.
Nur so geht es
The Daily Telegraph verteidigt das Vorhaben:
„Die einzig praktikable Lösung besteht darin, das zu tun, was die Regierung plant. Neben den Bemühungen, die kriminellen Schlepperbanden zu zerschlagen und unser Asylsystem effektiver zu gestalten, müssen wir sicherstellen, dass eine Einreise nicht automatisch zu einem anschließenden Aufenthalt in Großbritannien führt. Mit anderen Worten: Migranten sollten bei ihrer Ankunft festgenommen und schnell in ihr eigenes Land zurückgebracht oder in ein sicheres Drittland wie Ruanda – ein Land, mit dem wir eine Migrationspartnerschaft haben – abgeschoben werden.“
Effekthascherei
Die Pläne der britischen Regierung werden keine Probleme lösen, meint The Guardian:
„Diese Einreisen sind bereits illegal und nichts deutet darauf hin, dass der Entzug von Grundrechten potenzielle Bootsflüchtlinge abschreckt. Die eigentliche Funktion des Gesetzesvorhabens ist Effekthascherei. Weil im kommenden Jahr vermutlich ein neues Parlament gewählt wird, muss Rishi Sunak den Eindruck erwecken, etwas gegen die Einreisen zu unternehmen. Diese verschlimmern eine schon lang vorhandene Angst vor offenen Grenzen. ... Und doch ist es so, dass die Missachtung der Menschenrechte durch eine britische Regierung die Feinde der Demokratie stärkt.“
Unnötig kontrovers und wenig zielführend
Für Polityka passt das Gesetz nicht zum Vereinigten Königreich:
„Kurz gesagt, die Regierung Sunak will ein Gesetz einführen, das im Widerspruch zur bestehenden Gesetzgebung des Landes und zu internationalen Konventionen steht, aber auch zu Großbritanniens Kultur der Weltoffenheit und seiner bisherigen Haltung gegenüber Flüchtlingen. Es sieht so aus, als ob es der derzeitigen Regierung einfach nicht gefällt, dass das britische Volk bisher so offen und aufnahmebereit war. Dafür bräuchte es aber wohl kein neues Gesetz - eine Verschärfung der Kriterien im Asylverfahren würde genügen. Die Tories gehen aus unerfindlichen Gründen einen Weg, der riskanter, umstrittener und schlichtweg dumm ist. Höchstwahrscheinlich zu ihrem eigenen Nachteil.“
Menschenverachtend und töricht
Sunak wird mit diesem Manöver kaum bei den Wählern punkten, glaubt der Großbritannien-Korrespondent der taz, Ralf Sotscheck:
„Sunak hält es offenbar für publikumswirksam, den Asylbewerbern an den Kragen zu gehen, weil er bei den drängenderen Themen – steigende Lebenshaltungskosten, größer werdende Armut, leere Supermarktregale auch wegen fehlender ausländischer Arbeitskräfte – nicht vorankommt. Das Asylgesetz ist aber nicht nur menschenverachtend, es ist auch töricht. Seit 2015 haben diverse britische Regierungen versucht, die Boote über den Ärmelkanal zu stoppen. Das neue Gesetz wird daran nichts ändern, denn bis es in Kraft treten kann, ist diese Tory-Regierung hoffentlich längst Geschichte.“