Geleakte US-Informationen: Wie groß ist der Schaden?
Die Veröffentlichung geheimer US-Dokumente hat in Washington große Besorgnis ausgelöst: Dass Dokumente unter anderem über die Unterstützung für die Ukraine und den Frontverlauf seit einigen Tagen online zirkulieren, sei ein sehr hohes Risiko für die nationale Sicherheit, hieß es aus dem US-Verteidigungsministerium. Für Europas Presse sind die Auswirkungen erheblich.
Königsdisziplin hybrider Kriegsführung
Gefährlicher als die Veröffentlichung echter Geheimdokumente ist ihre gezielte Vermischung mit Falschinformationen, warnt die Frankfurter Rundschau:
„Wenn in den nächsten Wochen weitere Dokumente auftauchen - im selben Stil, aber mit überraschendem Inhalt - wird es schwierig, ihre Echtheit zu überprüfen. Fragwürdige Witzbolde im Internet könnten sie genauso gefälscht haben wie russische Geheimdienste. ... Die Mischung aus klassischer Spionage, Cyberangriffen, Datenleaks und gezielter Desinformation ist eine Königsdisziplin hybrider Kriegsführung. Alles spricht dafür, dass wir solche Kampagnen in den nächsten Jahren auch in Deutschland vermehrt werden beobachten können.“
Amateure im Pentagon
Sme ist fassungslos:
„Es ist unglaublich, dass selbst die schlechten Erfahrungen mit früheren Sicherheitspannen das Pentagon nicht dazu veranlasst haben, trotz eines Budgets von 800 Milliarden Dollar, den Schutz geheimer Materialien in Ordnung zu bringen. ... Aus verlässlichen Quellen geht hervor, dass etwa hundert als authentisch anerkannte Dokumente vor der Veröffentlichung manipuliert - ergänzt, ausgeschnitten etc. - wurden. Es wird jedoch notwendig sein, den Ukrainern, Franzosen, Israelis, Deutschen und anderen zu erklären, was grobe Fälschung, was Halbwahrheit und was Realität ist. Damit das Vertrauen zwischen den Verbündeten nicht der größte Verlierer in dieser Geschichte wird.“
Rumäniens Schlüsselrolle aufgedeckt
Das Leak offenbart, was der rumänischen Öffentlichkeit bisher verschwiegen wurde, schreibt Spotmedia:
„Den Geheimdienstunterlagen des Pentagon zufolge ist der Beitrag Rumäniens zur taktischen Vorbereitung und Instruktion ukrainischer Militärs genauso wichtig wie der von Polen. … Wenngleich die rumänischen Vertreter nie etwas über die militärische Hilfe für die Ukraine verlauten ließen, zeigen die Pentagon-Dokumente, dass unser Land eine Schlüsselrolle spielt, was den Transfer von Ausrüstung aus dem Westen angeht, der nachrichtendienstlichen Überwachung der Front und die Vorbereitung der Soldaten aus dem Nachbarland.“
Eine Blamage für das Pentagon
De Tijd glaubt nicht an einen zufälligen Zeitpunkt für das Leck:
„Ein politisches Motiv scheint diesmal zu fehlen, auch wenn das Timing vielleicht nicht ganz zufällig ist. Die militärisch sensible Information gelangt kurz vor der lang erwarteten ukrainischen Frühjahrsoffensive an die Öffentlichkeit. Kyjiw teilte bereit mit, dass es manche Pläne anpassen werde. Diese Affäre ist eine Blamage für die amerikanischen Geheimdienste und das Pentagon. Die Maßnahmen, die nach früheren großen Leaks ergriffen wurden, reichen nicht länger aus. Der Krieg in der Ukraine ist ein Informationskrieg. Dieses Leck macht den Einsatz noch höher.“
Möglicherweise eine Warnung
Den Schaden hat vor allem die Ukraine, konstatiert La Repubblica:
„Die Tatsache, dass die Veröffentlichungen der Geheimdokumente mit der geplanten Frühjahrs-Gegenoffensive von Kyjiw zusammenfallen, stellt eine potenzielle Gefahr für diese entscheidende Phase des Konflikts dar. Eine mögliche Warnung, dass Moskau die Schwächen der ukrainischen Streitkräfte kennt und auch weiß, wie und in welchem Umfang die US-Geheimdienste die russische Offensive ausspionieren. Die Strategen des ukrainischen Präsidenten Selenskyj werden zu den Ersten gehören, die - wahrscheinlich gemeinsam mit westlichen Beratern - abschätzen müssen, welche Folgen die Enthüllungen auf ihre unmittelbaren militärischen Pläne haben könnten.“
Nichts ist getarnt
Visão hält die Veröffentlichung geheimer Pläne über eine möglicherweise bevorstehende Gegenoffensive der Ukraine nicht für gefährlich:
„Dieser Geheimplan hat eine außergewöhnliche Eigenschaft: Er macht Angst. Das ist das Ziel. Die Ukraine ist Tage, Wochen davon entfernt, die Russen hart anzugreifen. Von oben nach unten, von Donezk und Saporischschja bis zum Asowschen Meer und zum Schwarzen Meer, von Ost nach West, um sie in kleine Stücke zu schneiden. Das ist der wahre Plan der ukrainischen Streitkräfte. Nichts verborgen, versteckt, getarnt.“
Versuch zu verwirren
Jekaterina Kotrikadse, Außenpolitik-Redakteurin beim Exil-Sender Doschd, hält in einem von Echo übernommenen Telegram-Post das Publikwerden der Dokumente für gewollt:
„Mein Eindruck ist, dass dieses Leak nicht umsonst mit der baldigen (angenommenen) Gegenoffensive der ukrainischen Armee zusammenfiel. Die ganze Geschichte sieht nach einem Versuch aus, die russische militärische und politische Führung vor der entscheidenden Schlacht zu verwirren. Denn in den Dokumenten steht nichts wirklich Sensibles und Sensationelles über die Aufstellung und die Pläne der ukrainischen Truppen.“