Was hat das Treffen von Biden und Xi gebracht?
Das Treffen von US-Präsident Joe Biden und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping in Kalifornien ist mit einer vorsichtigen Annäherung zu Ende gegangen. Xi versprach, den Export von Fentanyl-Komponenten in die USA einzuschränken. Die Kommunikation zwischen den Streitkräften beider Länder soll wieder aufgenommen werden. In der Taiwan-Frage gibt es aber weiterhin Spannungen.
Ein Hoffnungsschimmer
Der Dialog wurde in San Francisco wieder aufgenommen, freut sich La Repubblica:
„Der Tag des Gipfels begann gestern mit einer ermutigenden Nachricht: die Einigung der beiden Länder, in der Klimaproblematik die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen bis 2030 zu verdreifachen. ... Keine Revolution, nicht der Durchbruch, der die ohnehin schon verheerenden Auswirkungen der globalen Erwärmung aufhalten wird, aber zumindest ein Zeichen dafür, dass der Konflikt vielleicht nicht so unvermeidlich ist, wenn sich die beiden rivalisierenden Großmächte unserer Zeit auf die gemeinsamen Interessen der Stabilität konzentrieren würden. ... Die Ukraine, der Nahe Osten und Taiwan eingeschlossen.“
Kalibrierung der Feindseligkeit
Radio Kommersant FM schließt aus, dass sich China und die USA wirklich näherkommen:
„Global gesehen macht es für Peking keinen Sinn, seinem Gegner bei der Lösung seiner Probleme zu helfen. Insbesondere in einer Situation, in der China diese Probleme im Nahen Osten, in Europa und in Afrika nutzen kann, um seine Position zum Nachteil der USA zu stärken. Anders können die Beziehungen zwischen den beiden wichtigsten geopolitischen Gegnern schon nicht mehr sein. Sie stehen unwiderruflich in unterschiedlichen Lagern - und führen diese Lager an. Fraglich ist nur der Grad der Feindseligkeit. ... So wie es im Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion war.“
China kann sich Konflikt mit den USA nicht leisten
Rzeczpospolita widerspricht:
„Die Vereinigten Staaten ernten heute die Früchte einer Politik, die Richard Nixon und Henry Kissinger vor mehr als einem halben Jahrhundert initiiert haben. Ursprünglich ging es darum, das Bündnis der beiden kommunistischen Mächte China und Sowjetunion zu zerschlagen. Später, als die UdSSR aufhörte zu existieren, öffnete Amerika seinen Markt zunehmend für die Chinesen, in der Hoffnung, dass sie dem Beispiel Südkoreas oder Taiwans folgen würden. ... Zugegeben, China ist nie eine Demokratie geworden. ... Allerdings ist die Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten so groß, dass sich Peking trotz des Drucks aus Moskau eine offene Konfrontation mit Amerika nicht leisten kann.“
Die Begegnung dürfte kühl ausfallen
Das Treffen wird Duell-Charakter haben, prophezeit La Croix:
„Beide Mächte haben das Gefühl, sich in einem fast existenziellen Wettstreit zu befinden. Xi Jinping bevorzugt bei Weitem Wladimir Putin, den er in den vergangenen zehn Jahren ungefähr vierzig Mal gesehen hat und den er nach der russischen Invasion in die Ukraine vor der internationalen Isolation bewahrt hat. Moskau und Peking verbünden sich gegen den Westen, dessen universalistisches Projekt sie ablehnen. Joe Biden ruft hingegen zu einem Zusammenschluss der Demokratien auf. Das Zusammentreffen in San Francisco dürfte ziemlich kühl werden.“
Ein Zeichen der Hoffnung
Dass die großen Player den Dialog suchen, ist eine gute Nachricht, urteilt Dagens Nyheter:
„Das Treffen zielt nicht darauf ab, die Entwicklung hin zu einer stärker polarisierten Welt umzukehren; eher geht es darum, Stabilität herzustellen und offen für den Dialog zu bleiben, wo dies möglich ist. Alle, denen die weltweiten Anstrengungen gegen Klima-Emissionen wichtig sind, sollten das begrüßen – ohne koordinierte Maßnahmen vonseiten der USA und Chinas ist die Wende praktisch unmöglich. Und alle, denen Frieden wichtig ist, sollten es ebenfalls begrüßen – direkte Kommunikation senkt das Risiko, dass auch schon der kleinste Zwischenfall in der Meerenge zwischen Taiwan und China zu einem ausgewachsenen Krieg eskaliert.“
Pluspunkte für Biden möglich
Wie der US-Präsident vom Treffen profitieren könnte, analysiert der Journalist Kostjantyn Dowhan auf 24.tv.ua:
„Biden und Xi trafen einander zuletzt im November 2022 auf dem G20-Gipfel in Bali, damals wurde jedoch kein Durchbruch erzielt. Nun ist die Situation etwas anders – Präsident Biden steht kurz vor den Wahlen und ist derzeit katastrophal unpopulär. Er wird sowohl von Republikanern als auch von Demokraten heftig kritisiert. Einer der Hauptvorwürfe ist Unentschlossenheit. Ein Treffen mit dem chinesischen Staatschef ist eine gute Gelegenheit, diese These zu widerlegen und im Wahlkampf ein paar Pluspunkte zu sammeln.“
Das Zuckerbrot nicht vergessen
Eine reine Isolationspolitik funktioniert gegenüber dem mächtigen China nicht, mahnt The Times:
„Taiwans Sicherheit ist Biden ein großes Anliegen, doch er sollte auch erneut bekräftigen, dass die USA kein Interesse daran haben, dass die Insel ein souveräner Staat wird. Die US-Politik darf nicht nur darauf abzielen, sich China entgegenzustellen und es zu isolieren. Das würde der einstigen Eindämmungsstrategie gegenüber der Sowjetunion gleichkommen. China ist eine zu große ökonomische Macht und hat ein unendlich größeres Potenzial, die Weltwirtschaft zu beeinflussen. Biden sollte betonen, dass es nicht zwangsläufig zu Konflikten kommen muss und diplomatisches Engagement belohnt wird.“
Im Mittelpunkt steht der Iran
La Stampa glaubt nicht, dass das Treffen etwas verbessern kann:
„Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern verschlechtern sich zusehends. Es ist von daher nicht mit großen Ankündigungen zu rechnen. Die Erwartungen werden vornehmlich von Gerüchten genährt, die aus dem Weißen Haus selbst kommen, berichtet die BBC. Zum Nahen Osten heißt es, dass 'die dringlichste Bitte von Präsident Biden an China darin bestehen wird, seinen Einfluss geltend zu machen, dem iranischen Vorgehen als Reaktion auf den Konflikt in Gaza Grenzen zu setzen'. ... Der Iran steht also nach wie vor im Mittelpunkt des Nahost-Puzzles. ... Doch selbst die grausame Entwicklung dort scheint die diplomatischen Fronten, die sich in [San Francisco] gegenüberstehen, nicht zu erschüttern.“
Für die Ukraine wird sich wenig ändern
Auf den Kriegsverlauf in der Ukraine wird das Treffen kaum Auswirkungen haben, wägt Politologe Wolodymyr Fessenko in NV ab:
„Die Sache ist, dass China den Krieg in der Ukraine durch das Prisma seiner Konfrontation mit den USA wahrnimmt. Für China wäre der Sieg der Ukraine nicht von Vorteil, da Peking es auch als Sieg der USA betrachten würde. Aber auch eine übermäßige Verlängerung des Krieges oder dessen Eskalation sind für China nicht vorteilhaft. ... Für China ist alles in Maßen gut, auch die internationalen Turbulenzen. Die USA ihrerseits würden einen Frieden in der Ukraine zu Chinas Bedingungen nicht akzeptieren. Jedes ernsthafte Zugeständnis an China in geopolitischen Fragen würde in Peking als Ausdruck der Schwäche der USA gewertet.“