Nato-Bündnisschutz: Trump verschärft den Ton
Donald Trump ist dagegen, dass Nato-Mitglieder vom vollen Schutz durch das Bündnis profitieren, wenn sie nicht ausreichend ins Bündnis investieren. Er würde säumige Staaten bei einem Angriff Russlands nicht unterstützen und Moskau "ermutigen, zu tun, was es will", sagte Trump am Samstag. Angesichts seiner Chancen, erneut US-Präsident zu werden, bereitet das Europas Presse Sorgen.
Wie ein Mafiaboss
Donald Trump verfährt nach dem Motto "Gibst du mir, so geb ich dir", analysiert Echo24:
„Trump betrachtet Außenpolitik als reine Geschäftsangelegenheit. Er will eine sofortige, greifbare Gegenleistung für amerikanische Hilfe. Noch besser ist ein Gegendienst direkt gegenüber ihm, Trump. Sein Verhalten ähnelt damit einem Mafiaboss, der zum 'Schutz' ein Lösegeld verlangt. Langfristige amerikanische Strategien und Interessen entziehen sich ihm.“
Trump lügt, aber Europa ist trotzdem in der Pflicht
El Mundo gibt Trump zum Teil Recht:
„Nachdem er die Fakten verdreht hatte, um den Beitrag der EU zu minimieren, behauptete er, dass die USA der Ukraine 200 Milliarden Euro gegeben haben, während es in Wirklichkeit 71,4 Milliarden Euro sind. Wie auch immer: Seine Unwahrheiten entbinden die EU nicht von ihren Pflichten. Die Verbündeten haben sich auf das Ziel geeinigt, bis 2024 zwei Prozent des BIP für Militärausgaben aufzuwenden. Wegen des Ukraine-Konflikts haben die Nachbarländer Russlands dieses Ziel eingehalten. Spanien wird es frühestens 2030 erreichen. Die Konfrontation mit Russland zwingt die EU, ihr Engagement für die Verteidigung zu beschleunigen.“
Weckruf für die Widerspenstigen
Trumps Äußerungen zum Bündnisschutz sind gefährlich, könnten sich aber als nützlich erweisen, so The Spectator:
„Wie die meisten Menschen inzwischen begriffen haben, meint Trump vieles von dem, was er sagt, nicht wirklich. Vieles davon ist lediglich Wichtigtuerei. Aber er weiß, wie man mit Diktatoren umgeht, weil er selbst viele ihrer Charakterzüge teilt. ... Sollten seine Bemerkungen wie beabsichtigt wirken und widerspenstige Nato-Mitglieder wachrütteln, endlich ihre Verteidigungsfähigkeiten auszubauen, dann könnte das Resultat sein, dass sich Putin weniger geneigt fühlt, anzugreifen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Trumps völlige Unberechenbarkeit als nützlich erweisen könnte.“
Putins Saat geht auf
Die Gefahr, dass die US-Republikaner die Ukraine Russland ausliefern, ist auch ein Ergebnis jahrzehntelanger Anstrengungen Russlands, betont Spiegel Online:
„Wladimir Putin hat nicht nur die radikale Rechte in den USA, sondern weltweit seit vielen Jahren mit viel Aufwand – und, wie wir heute wissen, auch mit viel Geld – umgarnt. ... Fast alle typischen Talking Points der rechtsradikalen und verschwörungsideologischen Szene in Europa und den USA weisen Bezüge zu russischen Propagandanarrativen auf. ... Wie nützlich diese strategische Einflussnahme sein kann, zeigt sich gerade an den Vorgängen im US-Kongress: Für das Ziel, der Ukraine weitere Militärhilfen zu verweigern, kann man schon einmal viel Geld und viele Arbeitsstunden von Trollen und Agenten investieren. Putins Saat scheint aufzugehen.“
Er sagt, was er denkt
Journalist Bartosz Węglarczyk äußert in Onet Sorge:
„Ich weiß nicht, in welche Richtung sich Amerika entwickelt. Wenn ich mir die Republikanische Partei und ihre extreme Abneigung gegen die Stärkung von Freiheit und demokratischen Werten in der Welt ansehe, erwarte ich das Schlimmste. Europa muss sich darauf vorbereiten. Wir müssen davon ausgehen, dass es für Trump wichtiger sein wird, einen Vertrag für den Bau einer seiner Wolkenkratzer in Moskau zu unterzeichnen als Bündnissolidarität, weil er mit Ersterem Geld verdienen wird und mit Letzterem nicht. Trump spricht dies ausdrücklich aus. Und ich glaube ihm.“
Hat der Mann nicht recht?
Lidové noviny versucht, sich in Trump hineinzuversetzen:
„Seine Aussage scheint ein Verrat am Westen und eine Geste der Sympathie für Putin zu sein. Aber hat Trump – auch wenn er es arrogant und unhöflich sagt – nicht auch Recht? Die EU hat 450 Millionen Einwohner, die USA 335 Millionen und Russland 145 Millionen. Die Bevölkerung Europas liegt damit fast auf dem Niveau der USA und Russlands zusammen. ... Europa rühmt sich damit, Weltmeister der grünen Transformation zu sein. Weshalb ist es nicht auch in der Verteidigung so ehrgeizig? Genau das ist die Botschaft von Trump.“
Seine Wiederwahl wäre das Ende der Nato
Europa sollte genau hinhören, mahnt La Stampa:
„Trump hat gesagt, was er über die Nato denkt. Und wenn er so denkt, ist es das, was Präsident Donald Trump tun wird, wenn er wiedergewählt wird. Er wird die Nato auflösen. Die Europäer sollten sich keinen Illusionen hingeben. Ohne das feste Bekenntnis zur kollektiven Verteidigung im Falle einer Aggression, und erst recht ohne das des wichtigsten Verbündeten, ist die Nato, wie wir sie kennen, am Ende. Und ohne die Nato wird das transatlantische Band, das Nordamerika und Europa ein Dreivierteljahrhundert lang zusammengehalten hat, zu einem À-la-carte-Menü.“
Der Traum von gefüllten Geldtöpfen
Adevărul fürchtet, dass Trumps Rechnung innenpolitisch aufgehen könnte:
„Es stimmt, dass die USA der größte Beitragszahler der Nato sind. Aber die Nato verteidigt die freie Welt, vor allem Europa, gegen die imperialen Instinkte, wie Putin sie hat. Das ist auch in Amerikas Interesse. Trump versteht das dagegen anders. Jeder, der von der Nato verteidigt werden will, soll die Rechnungen für diesen Schutz bezahlen. Die Rechnungen stellt der amerikanische Präsident aus, wer sonst. Trump stellt sich bereits vor, wie eine Menge Geld nach Amerika fließt. ... Der Gipfel ist, dass es in den USA eine Menge Leute gibt, die so denken wie Trump und hoffen, dass sie von dem Geldfluss ebenfalls profitieren werden. Es würde nicht verwundern, wenn Trump mit dieser Philosophie die Wahl gewinnen würde.“
Europa muss mehr für seine Verteidigung tun
Aus Sicht von Postimees wäre es gefährlich, diese Debatte allein mit Trump zu verknüpfen:
„Um Europas eigenständige Verteidigungsfähigkeit zu gewährleisten, sollten die EU-Länder ihre Haushaltsausgaben für Verteidigung auf drei Prozent des BIP oder mehr erhöhen. ... Sowohl die EU als auch andere Nato-Mitglieder sollten die Verteidigung ernster nehmen als bisher, unabhängig davon, wer im Herbst zum US-Präsidenten gewählt wird. Das Gefährlichste wäre, im Falle einer Wiederwahl Bidens zu hoffen, dass das Leben unter dem Schirm der USA so weitergeht. ... Europa kann nicht auf ständige militärische Unterstützung durch die USA zählen, die schon immer die Angewohnheit hatten, sich von Zeit zu Zeit auf sich selbst zurückzuziehen.“