Was hat die Münchner Sicherheitskonferenz gezeigt?
Das dominante Thema auf der Münchner Sicherheitskonferenz war auch in diesem Jahr der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der angereiste ukrainische Präsident Selenskyj machte für die ausbleibenden Erfolge in der Verteidigung den Mangel an Waffen und Munition verantwortlich. Europas Presse sieht dringenden Handlungsbedarf.
Emotionale Auftritte fördern das Verständnis
Politologe Wolodymyr Fessenko begrüßt auf Facebook die Teilnahme ukrainischer Veteranen:
„Meiner Meinung nach ging der stärkste Impuls bei den ukrainischen Veranstaltungen am Rande der Münchner Konferenz von den Reden unserer Helden aus, den Veteranen des Krieges gegen den russischen Überfall. Sie erzählten von ihrem Leben und ihrem Kampf für ihr und für unser Leben. Das war sehr aufrichtig, emotional und bewegend. Und ihre Emotionen, ihre dramatische Geschichte (sie erlitten schwere Verletzungen, manche waren auch in Gefangenschaft) hatten eine starke Wirkung auf die Besucher. Es ist richtig, dass sie zu solchen Foren eingeladen werden. Denn wenn rationale Argumente nicht mehr greifen, müssen wir 'emotionale Kanonen' einsetzen.“
Kluft zwischen Versprechen und Taten
Die Bereitschaft, der Ukraine Waffen zu liefern, wächst La Croix zufolge nicht schnell genug:
„Angesichts des blutigen Versuchs von Putin, ihre Stärke zu testen, steht die EU, die mit Russland eine 2.257 Kilometer lange Grenze teilt, vor einer fast existenziellen Konfrontation. Zuerst rührten sich logischerweise die unmittelbaren Nachbarn: Polen und die baltischen Staaten. Inzwischen leugnet jedoch niemand mehr die Notwendigkeit zusätzlicher militärischer Hilfen für die Ukraine, insbesondere Deutschland nicht. Doch die Kluft zwischen Versprechen und den wirklichen Lieferungen ist nach wie vor groß und die Mitglieder sind durch eine unterschiedliche Politik der Rüstungsindustrien gelähmt.“
Suche nach Alternative nicht aufgeben
Die Chefredakteurin der taz, Barbara Junge, will sich mit der allgemeinen Militarisierung noch nicht abfinden:
„Die vornehmste Aufgabe der Politik scheint dieser Tage die Eröffnung neuer Waffenfabriken zu sein. ... Schon klar, mit einem Mörder wie Putin ist kein ukrainischer Staat zu machen und kein dauerhafter Frieden, jedenfalls nicht ohne brutale Konzessionen – wenn überhaupt. Eine Alternative zu weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine und zur Verstärkung der europäischen Rüstungsindustrie scheint nicht in Sicht. Und trotzdem: Wo sind die Diskussionen über eine Welt ohne, weniger oder zumindest nicht mit noch mehr Waffen? Wer bietet eine Bühne für die Suche nach Ab-, nicht Aufrüstung? In München stand diese Bühne nicht. Naiv? Bestimmt. Aber zugleich nötiger als je zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges.“
Integration der Verteidigung voranbringen
Gemeinsame Verteidigung beginnt mit konkreten Schritten, mahnt La Repubblica:
„Es ist eine Ironie der Geschichte, dass gerade Frankreich, das vor 70 Jahren die Europäische Verteidigungsgemeinschaft versenkt hat, nun über das Thema Atomwaffen einen gemeinsamen Verteidigungsembryo entwickeln könnte (und das Vereinigte Königreich?). ... In der Zwischenzeit bleibt der wesentliche Schritt die Integration der europäischen Programme und Lieferungen, um uns in einem Szenario zu schützen, in dem die Vereinigten Staaten auf jeden Fall weniger präsent sein werden und Russland droht, immer gefährlicher zu werden. Dies wäre ein wichtigerer Schritt als der von Ursula von der Leyen vorgesehene EU-Verteidigungskommissar, der den Grenzen der zwischenstaatlichen Methode unterliegt.“
Das übrige Europa muss nachziehen
Etelä-Saimaa schreibt:
„Im Trumpschen Kastensystem gehört Finnland zur besseren Gruppe. So wird Finnland in diesem Jahr rund 6,2 Mrd. Euro für die Verteidigung ausgeben, was etwa 2,3 Prozent des BIP entspricht. Dieser Anteil wird auch in den kommenden Jahren über dem Zielwert liegen, da erhebliche Investitionen getätigt werden. ... Auch in anderen Ländern an der Ostgrenze der Nato, wie Polen und den baltischen Staaten, ist der Anteil hoch. Das übrige Europa sollte begreifen, dass es trotz des Nato-Schirms auf seine eigene Verteidigungsfähigkeit achten muss. … Die europäischen Länder müssen sich auf Veränderungen innerhalb der Nato vorbereiten und ihre eigene Verteidigung stärken, unabhängig davon, wer zum nächsten US-Präsidenten gewählt wird.“
Granate schlägt Sicherheitsversprechen
Gegen Ende der Konferenz kommentiert der Tages-Anzeiger:
„Die gewaltige Solidarisierung, die dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski auf der Münchner Konferenz zuteilwerden wird: Sie kapituliert am Ende vor der Mündung des Gewehrs. Granate schlägt Sicherheitsversprechen – das ist die simple Logik der russischen Überlegenheit. ... [Putin] weiss, dass erst der Krieg kommt und dann die Politik, nicht umgekehrt. Ein Versprechen der Aufnahme in die Nato schreckt ihn nicht, eines in die EU überhaupt nicht, weil er glaubt, dass diese Institutionen nicht zum letzten und grössten Opfer der Selbstverteidigung bereit sind: dem Krieg.“