Hat der Green Deal noch eine Zukunft?
Kurz vor der Europawahl rückt angesichts von Überschwemmungen in Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz auch das Thema Klimaschutz wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Die EU-Kommission hat ihre im Green Deal verankerten Klimaziele nach den Bauernprotesten und der wachsenden Zustimmung zu rechtspopulistischen und klimaskeptischen Positionen bereits zurückgeschraubt. Kommentatoren sehen das überwiegend kritisch.
Eine Frage des Überlebens
Jornal de Notícias hofft, dass das Thema Klimakrise auch bei der Wahlentscheidung der europäischen Bürger eine Rolle spielen wird:
„Zwischen Donnerstag und Sonntag finden in Europa die wohl wichtigsten Wahlen seiner Geschichte statt, und es ist zu hoffen, dass die neue Europäische Kommission, die aus diesen Wahlen hervorgehen wird, sich weiterhin für die Reduzierung der Emissionen auf einem Kontinent einsetzt, der sich doppelt so schnell erwärmt wie der weltweite Durchschnitt. Die kurzsichtige Haltung der den Klimawandel leugnenden extremen Rechten bedeutet, mit dem Leben der Europäer zu spielen, denn es handelt sich nicht um eine ideologische Frage, sondern um eine Frage des Überlebens.“
EU marginalisiert sich
Gazeta Wyborcza sorgt sich, dass die EU wirtschaftlich ins Hintertreffen gerät:
„Die nächste Amtsperiode in Brüssel wird nicht einfach werden. Neben den Herausforderungen des Krieges im Osten und der Zuwanderung stehen wir vor der Frage, ob wir auf der wirtschaftlichen Weltkarte noch etwas zählen wollen. Man muss keine weiteren sechs Jahre warten, um zu sehen, dass der Green Deal trotz seiner lobenswerten Ziele keine positive Antwort darauf bietet.“
Klimapolitik unter Druck
Die Chefredakteurin der taz, Barbara Junge, befürchtet einen Rückschritt in der Klimapolitik nach der Wahl:
„Die Anti-Klimaschutz-Bewegung ist groß, sie ist grenzüberschreitend und sie wird mutmaßlich das neue Europaparlament aggressiv dominieren. Der Green Deal, der Versuch der EU, sich der Klimakrise umfassend entgegenzustemmen, ist das Jagdziel dieser Bewegung. Und es fehlt an Gegenwehr. ... [D]as Momentum, das die Klimabewegung 2019 hatte, hat nur zu einer kurzfristigen Neuorientierung auch konservativer Politiker geführt, allen voran Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Obwohl die Klimakrise global eskaliert und sich Europa am stärksten von allen Kontinenten erhitzt, sind Klimapolitikerinnen 2024 im Modus der Rückwärtsverteidigung.“
Deutlicher Makel auf der grünen Weste
Die EU-Kommission hat ihren Ehrgeiz und ihre Entschlossenheit beim Klimaschutz bereits aufgegeben, klagt NRC:
„Die Wiederherstellung der Natur und die Ökologisierung der Landwirtschaft sind ehrlich gesagt sogar völlig gescheitert. ... Das ist ein deutlicher Makel auf der grünen Weste der Kommission und kann auch die Zukunft der Klimaziele beeinflussen. ... Unter dem Druck von rechten Kritikern in ihrer eigenen Partei und mit Blick auf die Wahlen hat auch Von der Leyen in den vergangenen Monaten begonnen, Teile des Green Deals in Zweifel zu ziehen.“