Von der Leyen wiedergewählt: Gut so?
Fünf weitere Jahre soll Ursula von der Leyen Chefin der EU-Kommission bleiben. Das entschied am Donnerstag mit 401 Ja-Stimmen die absolute Mehrheit der Abgeordneten im Europäischen Parlament. In ihrer Bewerbungsrede hatte die CDU-Politikerin unter anderem erklärt, dass das beschlossene Verbot für Verbrenner-Autos durch Ausnahmen für sogenannte E-Fuels aufgeweicht und Außengrenzen besser geschützt werden sollen. Europas Presse bilanziert.
Die EU bleibt handlungsfähig
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hält die Wiederwahl für einen beachtlichen Erfolg:
„Das Ergebnis, mit dem Ursula von der Leyen wieder zur Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt wurde, ist deutlich besser als vor fünf Jahren. .... Im Vielvölkerparlament der EU, wo es keine starke Fraktionsdisziplin gibt, hat sie es geschafft, eine solide Mehrheit hinter sich zu versammeln. ... In einer Zeit, in der es in Frankreich nur noch eine geschäftsführende Regierung gibt, in Deutschland schon das Aufstellen eines Haushalts zur Herausforderung wird und Amerikas Kurs sich ändern könnte, hat die Wahl von der Leyens wenigstens eine Gewissheit gebracht: Die EU bleibt handlungsfähig.“
Man wollte Chaos vermeiden
Das Abstimmungsergebnis trügt etwas, erläutert Dnevnik:
„Dass sie deutlich mehr Stimmen als erwartet auf sich vereinen konnte, liegt vor allem an den geopolitischen Umständen. Offenbar unterdrückten viele Abgeordnete der mittlerweile vierteiligen Koalition trotz ihrer Unzufriedenheit mit von der Leyen ihren Stolz und stimmten lieber für die Stabilität der Koalition. ... Die Mehrheit hat kein Interesse daran, in solch kritischen Zeiten durch das egoistische Personalkarussell Einzelner die EU aus der Bahn zu werfen und mit einem Chaos in Brüssel die Kräfte zu stärken, die man bekämpfen will: die europäische extreme Rechte mit Ratspräsident Viktor Orbán an der Spitze, Wladimir Putin und Donald Trump.“
Prinzipien dem Machterhalt geopfert
Politische Inhalte scheinen bei von der Leyen im Hintergrund zu stehen, kritisiert The Spectator:
„Der europäische Green New Deal wird verwässert. Regeln und Vorschriften sollen abgebaut werden. Und es wird viel schärfere Kontrolle der europäischen Grenzen geben. ... Von der Leyen ist als eine Politikerin entlarvt worden, die an nichts glaubt, außer natürlich an sich selbst und an ihren Machterhalt. Nachdem sie in ihrer ersten Amtszeit für eine bestimmte Variante der EU eingetreten ist, wird sie in den kommenden Jahren einen Großteil dieser Arbeit demontieren und eine ganz andere politische Linie durchsetzen. ... Und das um den Preis, dass sie alle Prinzipien opfert, die sie einmal gehabt haben mag.“
Ihre Versprechen wird sie nicht halten können
Angesichts der wachsenden EU-Skepsis wird es die Kommissions-Chefin schwer haben, erwartet der Tages-Anzeiger:
„Ursula von der Leyen hat in ihrer Bewerbungsrede viel versprochen, was sie nicht wird einhalten können – 'mehr Europa' insbesondere. Klar, das wäre auch vor dem Hintergrund eines Comebacks von Donald Trump als US-Präsident nötig. Etwa mit Blick auf eine gemeinsame Verteidigungspolitik oder auf Europas Wettbewerbsfähigkeit. Ohne Mitgliedsstaaten geht allerdings nichts. Dort stehen die Regierungen unter dem Eindruck der Wahlerfolge von Euroskeptikern und offenen EU-Hassern. Nicht nur in Berlin und Paris fehlen Visionen, Mut und Elan für weitere Integrationsschritte. Ernüchterung ist also programmiert.“
Damm der Demokraten muss halten
Die erste Etappe im neu gewählten Europaparlament ist gemeistert, aber die Abwehr muss dauerhaft funktionieren, mahnt Le Soir:
„Ursula von der Leyen sagt zurecht, dass die Demokratie bedroht ist, von außen ebenso wie von innen, in ihrem Herzen, dem Parlament, das in allgemeiner Wahl gewählt wird. Die Kommissionspräsidentin betont zurecht nachdrücklich, dass sie 'nie hinnehmen wird, dass Demagogen und Extremisten den europäischen Lebensstil zerstören'. Sie fordert zurecht alle demokratischen Kräfte auf, diesen Kampf gemeinsam zu führen. … Diese 'demokratische Front' hat drei Tage lang gehalten, zumindest gegen die Truppen von Bardella, AfD und Verbündete – die EKR umschließt der Sicherheitsgürtel nicht. Der Damm muss fünf Jahre halten.“
Eine wahre Hilfe für Griechenland
Die konservative Eleftheros Typos schreibt begeistert:
„Die Wahl der scheidenden Präsidentin ist auch für Griechenland sehr positiv, nicht nur, weil sie hervorragende Beziehungen zum Premier Kyriakos Mitsotakis hat, der zusammen mit seinem polnischen Amtskollegen Donald Tusk einer der beiden Spitzenpolitiker war, die sie als Kandidatin der Europäischen Volkspartei nominiert haben, sondern auch, weil sie unserem Land in schwierigen Zeiten beigestanden hat. Von der Krise im Evros mit von der Türkei motivierten Migranten bis hin zu den massiven Finanzhilfen für unser Land aus dem Wiederaufbaufonds, aus dem wir die höchsten Pro-Kopf-Zuschüsse erhalten, war Frau von der Leyen eine wahre Hilfe.“