Nach Hisbollah-Attacke: Wie gefährlich ist die Lage?
Die Hisbollah-Miliz hat eigenen Angaben zufolge mehr als 320 Raketen auf Israel abgefeuert. Dabei handele es sich um die "erste Phase" der angekündigten Antwort auf die Tötung des Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukr vor knapp einem Monat. Das israelische Militär griff unmittelbar vor der Attacke Dutzende Stellungen der Miliz im Libanon an. Europas Presse debattiert, wie groß die Gefahr einer weiteren Eskalation ist.
Bei Israels Feinden wächst der Frust
Beeindruckt von Israels Abwehrkraft ist Visão:
„Die Aufklärungsfähigkeiten der Israelis sind nach wie vor bemerkenswert. Noch bevor die politische und militärische Führung der Extremisten ihren Truppen den Befehl zum Angriff gab, waren israelische Flugzeuge, Raketen und Drohnen bereits über dem Libanon. Dieser Angriff der Hisbollah ähnelt sehr dem, den Teheran vor einigen Monaten gegen Israel unternommen hat und der ebenfalls gescheitert ist. ... Unter den eingeschworenen Feinden, die die Israelis vernichten wollen, wächst tiefe Wut und Frustration: Nicht genug, dass sie einen Staat haben, jetzt werden sie auch noch von einem fast unüberwindlichen Schutzschild geschützt.“
Die Bedrohung steigt
Gerade Israels Stärke könnte auf Dauer zur Gefahr für das Land werden, analysiert La Libre Belgique:
„Je mehr Israel versucht, sich durch die gezielte Tötung seiner schlimmsten Feinde zu schützen, desto mehr riskiert es Vergeltungsmaßnahmen von Gruppen, die sich nicht nur leicht regenerieren, sondern auch geneigt scheinen, ihre Aktionen irgendwann zu koordinieren. Und genau das ist es, was die Feinde Israels anstreben: die Verteidigung des Landes zu blenden und auszuschalten, indem sie die Raketenabwehrstationen des Iron Dome oder militärische und zivile Geheimdienstbasen ins Visier nehmen. Und das stellt die politische und militärische Führung vor eine heikle zu lösende Gleichung.“
Ein vorerst stabiles Patt
Die taz glaubt nicht, dass sich der Krieg nun ausweitet:
„Mit nüchternem Blick betrachtet haben beide Seiten mit ihren Angriffen gezeigt, wo sie stehen: Die Hisbollah hat auf den Tod ihres Kommandaten Fuad Schukr mit einer Gegenattacke reagiert. Und sie hat wieder einmal belegt, dass sie über ein großes Arsenal an Raketen verfügt und auch befähigt ist, einen koordinierten Angriff durchzuziehen. Israel hat wiederum gezeigt, dass es solide Informationen zur Infrastruktur der Hisbollah hat und auch eine signifikante Attacke abwehren kann. Es ist gewissermaßen eine Pattsituation: Weder Israel noch die Hisbollah verfügen offenbar derzeit über einen realen militärstrategischen Vorteil.“
Nur Hamas will den großen Krieg
Die massiven Angriffe sind nach Ansicht von Dagens Nyheter kein Anzeichen für eine flächendeckende Ausweitung des Konflikts:
„Der Grund dafür, dass ein großer Krieg zwischen Israel und der Hisbollah, an dem auch der Iran beteiligt wäre, bisher vermieden werden konnte, liegt darin, dass keiner der Akteure ihn will. Die Aktionen der Hisbollah werden durchgeführt, weil die Miliz Sympathie für die Hamas zeigen will. Das liegt auch den Verantwortlichen in Teheran am Herzen. Israel war gezwungen zu reagieren. Aber niemand wollte, dass es außer Kontrolle gerät. Die einzigen, die es wirklich wollen, sind die Hamas-Mitglieder. ... Das sollten sie nicht erreichen.“
Dauerhafter Friede kann nur von innen kommen
Politiken hofft auf neue Führungen:
„Mehr Krieg und Chaos ist das Letzte, was Israel, Palästina und der Libanon brauchen. Alle drei Nationen sind Geiseln einer Gruppe extremistischer Führungen, denen sowohl das Völkerrecht als auch das Leid der Zivilbevölkerung gleichgültig sind. Kurzfristig muss nun die Außenwelt – insbesondere die USA, die EU und die arabischen Länder – maximalen Druck ausüben, um eine weitere Eskalation der Krise zu verhindern. Längerfristig muss die Bevölkerung ihren Teil dazu beitragen, bessere Führungskräfte zu bekommen. Es ist nicht gerade einfach, Hamas und Hisbollah gelten im Westen als Terrorgruppen und Israels Demokratie steckt in einer tiefen Krise. Doch letztlich kann dauerhafter Frieden nur von innen kommen.“