Moldau: Was sind die Lehren aus dem knappen EU-Votum?

Mit 50,4 Prozent haben die Bürger der Republik Moldau dafür gestimmt, den EU-Beitritt als unabänderliches Ziel in die Verfassung zu schreiben. Die parallel stattfindende erste Runde der Präsidentschaftswahl brachte keine Entscheidung, somit muss Amtsinhaberin Maia Sandu in eine Stichwahl. Doch ging alles mit rechten Dingen zu? Sandu erklärte, prorussische Kräfte hätten nachweislich Stimmen gekauft. Europas Presse sortiert die Gemengelage.

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agora.md (MD) /

Pro-Europäer müssen Konsens suchen

Das moldauische Onlineportal agora.md erwartet, dass der knappe Ausgang des Referendums die pro-europäischen Kräfte zu Kurskorrekturen bewegt:

„Der knappe Sieg liegt nicht nur daran, dass sich Russland eingemischt hat. Er könnte die Regierungspartei auch dazu zwingen, ihre Strategien und Botschaften neu zu justieren, um die Wähler in den Bezirken fernab der Hauptstadt zu erreichen, ebenso die russischsprachigen Wähler im Land. Die Pro-Europäer werden sich eingestehen müssen, dass es einen bedeutenden Bevölkerungsteil gibt, der nicht ihre Meinung teilt und sie müssen Lösungen finden, um einen nationalen Konsens über die europäische Agenda zu erreichen.“

Deutsche Welle (RO) /

Fragen zum Wahlbetrug schnellstens klären

Es muss dringend untersucht werden, was an den Stimmenkauf-Vorwürfen dran ist, meint der Rumänische Dienst der Deutschen Welle:

„Das Referendum ist äußerst knapp ausgegangen und in der Öffentlichkeit ist riesiger Druck spürbar. Die Menschen fühlen sich betrogen und erwarten, dass ihr Votum verteidigt wird. Sie erwarten, dass die Behörden ihnen sagen, wie ein Betrug möglich war und warum er nicht verhindert werden konnte. Was sind die Beweise, auf die sich Präsidentin Maia Sandu beruft? Was passiert mit denjenigen, die die Abstimmung gefälscht haben, aber auch mit denen, die zugegeben haben, dass ihre Stimme gekauft wurde? ... Ohne klare Antworten auf diese Fragen könnte das Ergebnis bei der Stichwahl ums Präsidentenamt desaströs ausfallen.“

The Times (GB) /

Stimmenkauf letztlich erfolglos

Putins Plan ist gescheitert, freut sich The Times:

„Auch wenn das Ergebnis hauchdünn ausfiel, hat es Moldaus Willen zu einer demokratischen Zukunft bekräftigt, trotz der revisionistischen Versuche Russlands, die Vorherrschaft über dieses 'nahe Ausland' zurückzugewinnen. Es war auch eine Verschwendung von schätzungsweise 100 Millionen US-Dollar an Bestechungsgeldern, die Moskau ausgegeben hat, um Stimmen zu kaufen. ... Das Ergebnis des Referendums wird der Ukraine, die selbst eine Zukunft innerhalb der EU anstrebt, Mut machen. Aber es erinnert auch an die Wirksamkeit von Putins Wahlmanipulationen, die inzwischen zum Charakteristikum westlicher Wahlen geworden sind. Er war sehr nah dran, damit beim Referendum in Moldau erfolgreich zu sein.“

Trud (BG) /

Schallende Ohrfeige für Brüssel

Das Ergebnis des Referendums ist eine schallende Ohrfeige für Brüssel, meint hingegen Trud:

„Für ein armes Land an der Grenze zur EU ist es unerhört, um ein paar hundert Stimmen an einem Nein vorbeizuschrammen. Im Jahr 2003 stimmte Ungarn mit 83 Prozent für den Beitritt, die Slowakei sogar mit 93 Prozent. Jedes Ergebnis unter 60 Prozent für den EU-Beitritt ist ein grandioser Misserfolg. Moldau liegt weltweit beim Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt auf Platz 93, gleich hinter Botswana. Noch vor 15 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass die Moldauer sich unschlüssig gezeigt hätten, ob sie dem 'Club der Reichen' angehören wollen.“

Aargauer Zeitung (CH) /

Mutige Präsidentin

Die Aargauer Zeitung würdigt Sandu und zieht Parallelen mit einem anderen Land im Spannungsfeld zwischen der EU und Russland:

„In Moldawien und Georgien findet gerade ein Showdown statt, wo es heisst: entweder Freiheit und Demokratie mit Europa oder Knechtschaft und Autokratie mit Russland. ... Zum Glück gibt es in beiden Ländern ... eine aktive, proeuropäische Zivilgesellschaft. Auch haben sowohl Moldawien wie Georgien mutige Präsidentinnen, die sich mit aller Kraft für den West-Kurs einsetzen. Und das, obwohl Russland bereits Tausende Soldaten auf ihrem Territorium stationiert hat. Diese Tapferkeit verdient Anerkennung und Respekt.“

Göteborgs-Posten (SE) /

Der Westen im Dilemma

Göteborgs-Posten sucht nach Möglichkeiten, wie das demokratische Ausland Russlands Einfluss mindern kann:

„Wenn Korruption, Bestechung und politische Gewalt an der Tagesordnung sind, ist Moskaus Weltbild in gewisser Weise legitimiert. Deshalb nimmt Moskau gerne schwache und leicht zu infiltrierende Länder wie Moldau ins Visier. Kriminelle Banden und korrupte Politiker sind ein großer Gewinn für den russischen Geheimdienst. Für den Westen stellt dies ein Dilemma dar. Die Antwort mit derselben Münze bestätigt Moskaus Narrativ und wird auch vom heimischen Publikum nicht so akzeptiert. Nur zuschauen ist hingegen auch keine sehr attraktive Option. Es bleibt zu versuchen, durch die Stärkung unabhängiger und liberaler Institutionen langfristig zu handeln.“