Was ist von Trumps Grönland-Vorstoß zu halten?
Der künftige US-Präsident Donald Trump hat erneut Anspruch auf Grönland angemeldet und sogar ein militärisches Vorgehen nicht ausgeschlossen, sein ältester Sohn kam zu einem eintägigen "Privat-Besuch" auf die arktische Insel. Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen erteilte dem Übernahmeansinnen eine Absage: Grönland gehöre den Grönländern. Sie will aber mit Trump über die Angelegenheit sprechen. Kommentatoren ordnen ein.
Geostrategisch wohlkalkuliert
Für die rechtspopulistische Weltwoche ist der Vorstoß nachvollziehbar:
„Trumps Grönland-Offensive ist kein launischer Akt eines Grössenwahnsinnigen. Sie ist im geostrategischen Kontext zu verstehen. ... Beim Rennen um die Arktis geht es um Bodenschätze. Das Eis auf Grönland schmilzt. Erdöl, Gas, Mineralien, riesige Uran-Reservoire werden zugänglich. Es geht um See- und Handelsrouten. Und es geht um Verteidigung. Grönland schirmt die USA von Russland ab. Washington unterhält im Westen der Insel eine Luftwaffenbasis mit einem Raketen-Frühwarnsystem. ... Mit seinen Grönland-Ambitionen rüttelt Trump seine Verbündeten wach. Und macht seinen Kontrahenten Putin und Xi klar: Wir werden euch das Feld nicht passiv überlassen.“
Besser wäre ein globales Schutzgebiet
Politologe Sergej Medwedew plädiert in seinem Facebook-Kanal hingegen für eine Arktis ohne staatliche Hoheitsgebiete:
„Ich liebe die Arktis und Grönland und würde es höchst ungern sehen, wenn es der 51. Staat der USA würde – samt Auftritt von Großkonzernen und Abbau von Bodenschätzen, bis hin zur Nutzung des [unter Wasser liegenden] Festlandssockels (wo es riesige Vorkommen geben könnte). Ich würde die Arktis lieber als Schutzgebiet für die gesamte Menschheit sehen, so wie die Antarktis, mit einem Verbot aller militärischen und wirtschaftlichen Aktivitäten außer der traditionellen Jagd und Fischerei der Indigenen, und ohne jegliche nationale Souveränität. ... Aber was gelten schon meine Fantasien, wenn die Fantasten jetzt im Weißen Haus sitzen?“
Die gleichen Sprüche wie Putin
Dagens Nyheter sieht deutliche Parallelen zur Vorgehensweise der Führung in Moskau:
„Die Rhetorik stammt direkt aus dem Kreml. Genauso wie Trump jetzt über Grönland redet, hat Putin über die Ukraine gesprochen: Russland müsse die Ukraine einnehmen, um sich gegen den Westen und die Nato zu schützen, sagte Putin. Die USA müssten möglicherweise Grönland übernehmen, um den Westen und die Nato zu schützen, sagt Trump. Dass beide die Überzeugung vom Recht des Stärkeren auf die Kontrolle seiner 'Interessensphäre' teilen, wird kaum jemanden überraschen. Gleichwohl ist dies eine beachtenswerte Legitimation des russischen modernen Imperialismus.“
Revival des Imperialismus
Die Presse warnt vor einer Rückkehr in längst überwunden geglaubte Zeiten:
„Die territorialen Grenzen infrage zu stellen, die Legitimität von Staaten einfach beiseitezuschieben oder wegzuwischen, wie es einem ins Konzept passt, markiert einen Angriff auf die Weltordnung und einen Rückfall in den Imperialismus des 19. Jahrhunderts. Es wäre ein Präzedenzfall, der andere Staaten wie China auf schlimme Ideen bringen könnte. Just die USA haben sich bisher als Hüter dieser Ordnung verstanden.“
Unabhängigkeit als dritter Weg
Expressen hält es für möglich, dass Grönland sich zwar von Dänemark löst, die USA es aber nicht bekommen:
„In seiner Neujahrsansprache erklärte Grönlands Premier Múte Egede, es sei nun für Grönland an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun und 'die Fesseln des Kolonialismus abzuwerfen'. Eine Abstimmung über die Unabhängigkeit könnte bereits im April stattfinden. Eine Mehrheit der Grönländer ist dafür. Es fragt sich, ob ein souveränes Nuuk eine engere Zusammenarbeit mit einer Großmacht anstrebt, die gedroht hat, das Land aufzukaufen. Trumps Gier könnte ihn teuer zu stehen kommen.“
Nicht gegeneinander ausspielen lassen
Trump darf im Konflikt um Grönlands Autonomie nicht zum lachenden Dritten werden, warnt Politiken:
„Wenn die Grönländer sich lossagen wollen, dann sollte dies nach einem gründlichen Abwägen der Vor- und Nachteile der dänischen Staatengemeinschaft und entsprechend der Spielregeln ablaufen, die Grönland und Dänemark einander schon zugesichert haben. Trump versucht das grönländisch-dänische Verhältnis mit seiner 'Grönland-Delegation' zu sprengen. Anstatt sich also gegenseitig zu ärgern, sollten sich Dänemark und Grönland gemeinsam klar gegen Trumps unangemessenes Eingreifen positionieren. Wenn es Trump gelingt, einen Keil zwischen Dänemark und Grönland zu treiben, wird es zwei Verlierer und einen Gewinner geben.“
Verantwortung nicht angemessen wahrgenommen
Dass es so weit kommen konnte, liegt nicht allein an Trump, bemerkt Berlingske:
„Versagt hat Dänemark vor allem als arktische Großmacht. Denn eine solche Großmacht ist man, wenn man die Kontrolle über Grönlands Außen- und Verteidigungspolitik und die Verantwortung für dessen strategisch höchst wichtig gelegenes Territorium von gut 2,1 Millionen Quadratkilometern hat. Dänemark hat allzu lange nicht begriffen, was diese Verantwortung bedeutet. Wir haben Grönlands sicherheitspolitisches Gewicht unterschätzt – genau dies ist nun Trumps Argument dafür, dass die USA die Kontrolle übernehmen müssten. Dänemark hat es versäumt, in entsprechende Sicherheit zu investieren. Wir waren eine Großmacht, haben aber gehandelt wie ein Kleinstaat.“
Nato-Mitgliedschaft schreckt ihn nicht ab
Man sollte Trumps Worte nicht als übertrieben abtun, mahnt La Stampa:
„Er strahlte höchste Zuversicht aus, sprach aus dem Stegreif und sagte viele Dinge, die ernst genommen werden müssen, obwohl sie dem gesunden Menschenverstand und der internationalen Normalität widersprechen. Sie müssen ernst genommen werden, weil Trump die Überzeugung, den Willen und die Mittel hat, sie durchzusetzen. Er hat nur wenige innenpolitische institutionelle Beschränkungen, keine persönlichen Hemmungen und große Eile. ... Trump hat ausdrücklich weder wirtschaftlichen Zwang noch militärische Interventionen ausgeschlossen. ... Grönland gehört zu Dänemark. Eine militärische Intervention nicht auszuschließen, bedeutet also übersetzt, dass es für den neuen US-Präsidenten nicht undenkbar ist, in das Gebiet eines Nato-Verbündeten einzudringen.“
Baldige Verhandlungen möglich
Auch Tvnet befürchtet einen ernsthaften Konflikt:
„Wenn man bedenkt, dass Dänemark keine Absicht gezeigt hat, Grönland die Unabhängigkeit zu gewähren, sondern stattdessen verstärkt in die Sicherstellung seiner militärischen Präsenz investiert und den Eisbären, der Grönland symbolisiert, im königlichen Wappen stärker hervorhebt, ist es möglich, dass wir in den kommenden Jahren eine interessante Wechselwirkung zwischen den Interessen der Nato-Verbündeten USA und Dänemark erleben werden. Während eine militärische Besetzung durch die USA ein nahezu unglaubliches Szenario ist, macht Trump mit seiner Rhetorik, wonach der Einsatz von Gewalt nicht ausgeschlossen sei, bereits Druck, was auf mögliche Verhandlungen in naher Zukunft hindeutet.“
Eisige Insel verdrängt heißen Krieg
Der Politologe Abbas Galliamow vermutet auf Facebook ein Ablenkungsmanöver Trumps auf seiner außenpolitischen Agenda:
„Entweder verliert er gerade wirklich den Verstand oder er versucht zynisch, die Tagesordnung zu ändern. Dies könnte mit Problemen – unter anderem in Sachen Russland-Ukraine – zusammenhängen. Nachdem er erkannt hat, dass er sein Versprechen, den Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden, nicht einhalten kann, könnte Trump nun versuchen, dafür zu sorgen, dass niemand mehr daran denkt. Der neue-alte US-Präsident ist eine Führerfigur, die sich eher auf äußere Effekte als auf das Wesentliche konzentriert, sodass er gescheiterte Vorhaben einfach durch etwas anderes ersetzt, ohne sich dabei unwohl zu fühlen.“