Hegseth in Brüssel: Wie steht es um die Nato?
Der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hat beim Nato-Treffen in Brüssel deutliche Sätze gesagt. Einen baldigen Beitritt der Ukraine schloss er ebenso aus wie die Entsendung von US-Truppen zur Sicherung eines künftigen Waffenstillstands. In mehrfacher Hinsicht forderte er Europa auf, mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen. Kommentatoren erkennen einen Bruch.
Der transatlantische Geist ist tot
Bedauernder Abgesang in La Stampa:
„Die Nato war einmal. Und sollte es sie morgen wieder geben, wird es eine andere Nato sein, mental anders, selbst wenn ein Finanz-Zauberstab plötzlich herbeizaubert, dass alle Verbündeten fünf Prozent ihres BIP für Verteidigung ausgeben, wie es Donald Trump seinen neuen Verteidigungsminister Pete Hegseth hat fordern lassen. ... Für die USA habe Europa keine Priorität mehr, sagte Hegseth am Mittwoch vor rund 50 Nato-Kollegen und -Partnern. Damit ist der Geist des Bündnisses verschwunden: das 'einer für alle, alle für einen', das die europäische und die atlantische Sicherheit fest miteinander verknüpfte.“
Die Rhetorik hat bereits Fakten geschaffen
Tvnet sieht einen unwiderruflichen Wandel:
„Es ist zwar klar, dass die Änderungen eng mit der Trump-Administration und ihrer Vision für die US-Militärstrategie verknüpft sind. Doch selbst wenn im nächsten Wahlzyklus ein anderer Präsident an die Macht käme, könnte eine Rückkehr zur vorigen Strategie schwierig werden. Die geplanten Änderungen schaffen eine enorme Kluft zwischen den USA und Europa, die zu einer Transformation der Nato oder sogar einer grundlegenden Schwächung des Bündnisses führen könnte. Eines ist bereits klar: Der Kurswechsel in der US-Militärpolitik ist nicht länger bloße Rhetorik – er ist mittlerweile Realität.“
Kein echter Verbündeter mehr
Als Analyst des European Council on Foreign Relations (ECFR) schreibt Paweł Zerka in Népszava:
„Der neue US-Präsident zwingt die europäischen Bürger dazu, einen pragmatischeren Ansatz in der Außenpolitik zu akzeptieren – insbesondere in den Beziehungen zu den USA. Die vorherrschende Ansicht in weiten Teilen Europas ist heute, dass Washington nicht länger 'Verbündeter' der EU, sondern nur noch 'notwendiger Partner' ist. ... Dies ist ein bemerkenswerter Wandel, der auf einen potenziell irreparablen Bruch des westlichen Bündnisses hindeutet. ... Die Führung der EU muss in ihrer Außenpolitik Pragmatismus lernen und einführen; man muss den Wählern klarmachen, was bei verschiedenen Arten von Frieden in der Ukraine auf dem Spiel steht und was es bedeutet, dass Europa in Sachen Sicherheit zu sehr von den USA abhängig ist.“
So signalisiert man Schwäche
Der offen gezeigte Bruch geht auf Kosten der nötigen Abschreckung, ärgert sich De Telegraaf:
„Das ganze Theater schadet dem Image der Nato. Das selbsternannte 'stärkste militärische Bündnis jemals' ist schließlich so stolz darauf, nach außen Einheit auszustrahlen. Das ist Teil der Abschreckung gegen Putin und China. ... Das Telefonat zwischen Trump und Putin über den Beginn von Friedensverhandlungen sorgt dafür, dass sich die Befürchtung vieler europäischer Politiker bewahrheiten könnte: zwei mächtige Staatschefs, die über die Köpfe Europas hinweg einen Deal über das Ende des Krieges ausmachen.“