Trump und sein Team: Was folgt für die Außenpolitik?
Nach dem Wahlsieg von Donald Trump sind erste außenpolitische Personalentscheidungen für sein Regierungsteam bekannt geworden. Das Verteidigungsministerium soll Militärveteran und Fox-News-Moderator Pete Hegseth übernehmen. Als möglicher Außenminister ist Marco Rubio im Gespräch, Mike Waltz als nationaler Sicherheitsberater. Beide gelten als Hardliner gegenüber China und kritisieren die bisherige Ukraine-Politik. Europas Presse interpretiert.
Ein Falke alter Schule
Die Nominierung von Marco Rubio zum künftigen US-Außenminister konterkariert für Lidové noviny Trumps außenpolitische Wahlkampfthesen:
„Mit ihm wird wieder ein Falke alten Stils an der Spitze der amerikanischen Diplomatie stehen, der allen Analysen zufolge in den Reihen der Republikaner keinen richtigen Platz zu haben schien. Schließlich sollte sich die Partei deutlich in Richtung einer 'America First'-Politik bewegen und 'jeder muss für sich selbst sorgen'. Von weiteren 'endlosen Kriegen' wollte niemand etwas hören. Rubios Sprache erinnert dagegen an Bushs weltweite Verbreitung der amerikanischen Demokratie und eine klare Rückkehr zur ideologischen Trennung in 'Reich des Guten' und 'Reich des Bösen'.“
Weniger Veränderung als zunächst erwartet
Die Personalentscheidungen verweisen eher auf Kontinuität als auf Trumpschen Aktionismus, meint auch Außenpolitikexperte Botond Feledy in Új Szó:
„Zumindest in der Außenpolitik tauchen bekannte Republikaner auf. ... Es wird mehr Kontinuität in der US-Außenpolitik geben, als einige befürchtet oder andere erhofft haben. Auch bezüglich des Krieges zwischen Ukraine und Russland wird es immer wahrscheinlicher, dass eine gemäßigtere Lösung zu erwarten ist als eine übereilte Verhandlung innerhalb von 24 Stunden, die nur dazu führen würde, dass der Westen den Krieg verliert.“
China steht im Fokus
Für das Handelsblatt zeigen die Entscheidungen Trumps vor allem eines:
„Die USA werden sich in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik künftig noch stärker auf China konzentrieren. Die wahrscheinlichen Kandidaten für die wichtigsten Außenposten der USA sind vor allem mit Blick auf China radikal, aber nicht so radikal wie andere gehandelte Kandidaten – und sie denken strategischer als Trump. ... [D]ie Konzentration auf China [wird] auch ein Schlaglicht auf Deutschlands Versäumnisse werfen. Die Bundesregierung hat zu wenig getan, um sich aus der Abhängigkeit von der Volksrepublik zu lösen. Eine neue US-Regierung wird den Druck erhöhen – mit Folgen auch für die deutsche Wirtschaft.“
Washington setzt auf Stärke
Für 444.hu zeigt die Auswahl des Teams in eine ganz bestimmte Richtung:
„Die am Dienstagmorgen geleakten Personalentscheidungen von Donald Trump weisen relativ klar auf die Prioritäten Washingtons für die kommenden Jahre hin: alles einem aggressiven Auftritt gegenüber China unterzuordnen, einen schnellen Waffenstillstand in der Ukraine zu schließen, absolute Unterstützung für Israel zu leisten. Das mag für Jerusalem und auch für Moskau eine gute Nachricht sein, es zeigt aber ebenso, dass es nicht um einen Isolationismus der USA im traditionellen Sinne geht, sondern höchstens um einen selektiven Isolationismus. Insgesamt könnte es um eine Politik der Stärke gehen, mit einer zu erwartenden weiteren Erhöhung der US-Militärausgaben.“
Nicht zu unterschätzende Schachzüge
Die Süddeutsche Zeitung erkennt in den ersten Personalentscheidungen ein Muster:
„[H]ier ist keine rein isolationistische Truppe am Werk, sondern ein Team aus interventionistischen Falken. [Marco] Rubio gilt quasi als Erfinder der Einkreisungspolitik gegenüber China. Der mutmaßlich nächste Sicherheitsberater, Michael Waltz, wird kein Schwächesignal der USA erlauben, auch nicht gegenüber Russland. Für Europa ist es dennoch zu früh, belastbare Ableitungen aus diesen Personalien zu ziehen – außer, dass man Trump wieder einmal unterschätzt haben könnte.“
Nachkriegs-Allianzen vor dem Aus
El País befürchtet:
„Trumps zweite Präsidentschaft könnte eine geopolitische Revolution auslösen. Nichts ist sicher, aber es gibt Anzeichen für entscheidende Konsequenzen für die internationalen Beziehungen. ... Bei vier Konflikten könnten sich diese Konsequenzen weitreichend und dauerhaft auswirken. Zwei sind ausgewachsene Kriege (Ukraine und Naher Osten), zwei sind potenzielle Konflikte (Taiwan und Korea). ... Es ist zu befürchten, dass Trump sich nicht mit Vertretern des republikanischen Establishments umgeben wird, die zuvor seine Instinkte gebremst haben. ... Diesmal scheint es wahrscheinlich, dass das von den USA nach 1945 gewebte Netz von Allianzen zerreißt und die geopolitische Landschaft sich dauerhaft verändert.“
Über das Schicksal der Ukraine wird gewitzelt
La Stampa warnt:
„Fast alle Kandidaten für wichtige Positionen in der amerikanischen Diplomatie und Sicherheitspolitik hatten entweder Anfang des Jahres im Kongress für die Blockierung der Militärhilfe für Kyjiw gestimmt oder sich gegen die Unterstützung der Ukraine ausgesprochen. Die Gerüchte darüber, was Trump zu tun gedenkt, stammen aus Tweets von Elon Musk, von durch Trumps Sohn veröffentlichte Memes, Fernsehinterviews von Beratern (die sofort dementiert wurden) und Medienenthüllungen über Telefonate mit dem Kreml (die sofort dementiert wurden). ... Über das Schicksal der Ukraine und Europas wird in Witzen vor den Kameras und in den sozialen Medien spekuliert.“
Ein echtes Problem für Europa
Lidové noviny vermutet folgende Entwicklung:
„Man kann davon ausgehen, dass die Trump-Administration auf eine friedliche Lösung im Sinne von territorialen Zugeständnissen an Russland drängen wird. Die Option eines Einfrierens der Frontlinie erscheint hier sehr wahrscheinlich. ... Europa würde bei dieser Lösung grundsätzlich verlieren. Mit dem Waffenstillstand würde das Herunterzählen der Zeit beginnen, die Russland benötigt, um sich zu regenerieren, damit es eines der Nato-Länder direkt angreifen kann. Polen und das Baltikum bieten sich hier an, aber eine Aggression anderswo, etwa in den Polarregionen oder über Moldawien in Rumänien, ist auch nicht ausgeschlossen.“
Wird Putin in die Ölpreisfalle gelockt?
Politologe Abbas Galliamow erwartet auf Facebook, dass Trump Russland politisch hätschelt, aber wirtschaftlich ruiniert:
„Wenn die Amerikaner die Ölförderung erhöhen, ist das etwa 'Russophobie'? ... Aber selbst wenn Putin empört ist: Was kann er dagegen tun? ... Eine Falle zeichnet sich ab: Das Ende der 'militärischen Sonderoperation', multipliziert mit niedrigen Ölpreisen, birgt ernsthafte innenpolitische Risiken für den russischen Kreml. Wenn das Siegesfeuerwerk verhallt und der Wodka getrunken ist, wird sich herausstellen, dass es nicht viel zu beißen gibt – bei niedrigen Kohlenwasserstoffpreisen bleibt kein großer Spielraum.“