Trump-Ära: Wie wandelt sich die Gesellschaft?

Jenseits der hektisch geführten Diskussionen über die fast täglich von der Trump-Administration verkündeten disruptiven Entscheidungen findet in europäischen Medien auch eine Analyse der möglichen tiefgreifenden und längerfristigen Veränderungen seit dem Machtwechsel im Weißen Haus statt. Kommentatoren suchen Antworten auf die Frage, wie sich Land und Gesellschaft in der zweiten Amtszeit Trumps entwickeln werden.

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Ouest-France (FR) /

Dekonstruktion zivilisierter Beziehungen

Historikerin Anne-Sarah Moalic-Bouglé warnt in Ouest-France:

„Die sogenannte Anti-Woke-Politik ist in Wirklichkeit das Trojanische Pferd zur Dekonstruktion der Gesellschaft, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten vorangeschritten ist. Die antifeministischen Äußerungen müssen mit den anderen Statements von Donald Trump und Elon Musk in Verbindung gebracht werden: Beschränkung der staatlichen Regulierung von Informationen, expansionistische Bestrebungen in Bezug auf Grönland, Panamakanal und Kanada, wirtschaftlicher Isolationismus. … Es geht schlicht darum, den Rahmen, die moralischen oder gesetzlichen Normen zu sprengen, die langsam aufgebaut wurden, um besser befriedete und zivilisiertere Beziehungen zu garantieren, sei es zwischen Ländern oder zwischen Menschen.“

eldiario.es (ES) /

Für unsere Überzeugungen einstehen

Eldiario.es stellt klar:

„Hier geht es nicht nur um Aluminium, Stahl und Autos. Es geht um Ideen und Gesellschaftsmodelle. Genauso wie es beim Krieg in der Ukraine nicht nur um Krim und Donbas ging und geht. Wladimir Putin und Donald Trump teilen ihre Abneigung gegen liberale Demokratie und ihre imperiale Nostalgie. ... Das ist kein Anfall, das ist Strategie. Und sie löst sich nicht von selbst auf. Um sie zu bekämpfen, müssen wir die Ressourcen unserer Demokratien mobilisieren, die Strukturen der EU verändern und uns zu den Werten bekennen, die sie zerstören wollen. Es gibt einen neuen Sheriff in Washington, so Vizepräsident Vance. Sie werden nicht stoppen, bis ihnen jemand in der für sie verständlichen Sprache klarmacht, dass wir hier mehr auf 'Zivilschutz' stehen [im Original Wortspiel mit 'Guardia Civil'].“

Corriere della Sera (IT) /

Tempo machen ohne jede Rücksicht

Trump schwimmt mit dem Strom der Zeit, befürchtet der ehemalige italienische Parlamentspräsident Luciano Violante in Corriere della Sera:

„Trump verwirklicht ein Modell der brutalistischen, anti-ästhetischen, unkonventionellen, unangepassten, wenig zimperlichen und respektlosen Demokratie. ... Leider ist das im Einklang mit dem Lauf der Geschichte. Das durch digitale Technologien und das Paradigma des globalen Wettbewerbs hervorgerufene Zeichen der Zeit ist die Schnelligkeit von Entscheidungen und deren Umsetzung. Eine Schnelligkeit, die den demokratischen Verfahren heute fehlt. Trump hingegen drückt politischen Elan und Entschlossenheit mit eindeutiger Grobheit aus. Er verstößt die manchmal scheinheiligen Kategorien der liberalen Demokratie: Respekt vor dem Anderen, Achtung vor der Wahrheit, Pluralismus, Multilateralismus, Toleranz gegenüber Unterschieden.“

Tvnet (LV) /

Gewaltenteilung biegen oder brechen

Die Kommunikationswissenschaftlerin Sandra Veinberga schaut in Tvnet auf die Machtverhältnisse innerhalb der USA:

„Im Senat könnten Trumps Gegner viele seiner Initiativen blockieren. Dies ist bedeutsam, weil das politische System der USA auf der Gewaltenteilung zwischen Präsident, Parlamentskammern und Gerichten basiert. ... Vance hat wiederholt die Idee ins Spiel gebracht, dass das Weiße Haus einem Richterurteil möglicherweise nicht Folge leisten könnte. Das bedeutet, dass sich das Trump-Lager tatsächlich auf einen Kampf gegen die Verfassung vorbereitet, um neue Machtbefugnisse für den Präsidenten zu erlangen. Sie wollen also die USA in eine Kopie von Putins Russland verwandeln.“