Zollkrieg USA-China: Wie soll sich die EU verhalten?

Nachdem die USA ihre Sonderzölle für die meisten Staaten ausgesetzt haben, entspinnt sich der globale Zollstreit derzeit vor allem zwischen Washington und Peking. Dennoch stellt sich die Frage, wie sich Europa zu diesem Gigantenduell verhalten soll. In den Kommentarspalten herrscht dazu keine Einigkeit.

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LRT (LT) /

America First oder China First

LRT analysiert:

„Die wirtschaftlichen, militärischen und philosophischen Pfeiler der Nachkriegsweltordnung sind zusammengebrochen. Doch durch den Rauch über den Trümmern bleibt ein geopolitischer Imperativ sichtbar: konkurrieren oder zurückweichen. Das gilt auf beiden Seiten des Atlantiks, auch wenn die Interpretationen weit auseinandergehen. ... Auch die Europäer könnten sich fragen, wie eine einheitlichere, entschlossenere Führung ihren enormen Wohlstand und ihre regelsetzende Macht in echten geopolitischen Einfluss verwandeln könnte. Doch das ändert nichts an der realen Entscheidung: Chinas globale Führungsrolle stillschweigend akzeptieren und sich in Handel, Technologie und politischem Einfluss dauerhaft unterordnen – oder, so schwer es fällt, mit den USA kooperieren? Wer 'America First' kritisiert, wird 'China First' noch weniger mögen.“

Der Spiegel (DE) /

Gegen Peking geht es nur gemeinsam

Die EU sollte Trump eine Zusammenarbeit im Kampf gegen China anbieten, empfiehlt der Spiegel:

„Die wirtschaftliche Macht von USA, EU, Australien, Kanada, Indien, Japan, Korea, Mexiko und Neuseeland, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, zusammen beläuft sich auf 60 Billionen Dollar. Die Chinas auf 18 Billionen. Was benötigt wird, ist eine Art 'ökonomischer Artikel 5', so wie ihn das Verteidigungsbündnis Nato in seinen Statuten führt. Eine Klausel, mit der man sich gemeinschaftlich zu einer Abwehr von Gegnern verpflichtet. Trump verfolgt bislang das Gegenteil. ... Dennoch sollten die Europäer nichts unversucht lassen, ihn davon zu überzeugen. Es gibt dazu keine gute Alternative.“

Jyllands-Posten (DK) /

Die Zeit spielt für uns

Bei Jyllands-Posten hat Wirtschaftsredakteur Tor Illum Johannessen seine Position revidiert:

„Ich habe mich in einem früheren Leitartikel dafür ausgesprochen, im Handelskrieg hart gegen Trump vorzugehen. Aber ehrlich: Im Moment schlägt er seinen Kopf härter gegen die Chinesische Mauer, als wir ihm in Europa Schläge versetzen könnten. In den kommenden Monaten dürfte die wirtschaftliche Entwicklung die Verhandlungsposition der USA schwächen. Es ist daher offensichtlich Zeit für lange, langweilige Verhandlungen. Darin sind wir in der EU gut. Sollte Trump erneut auf Eskalation setzen, kennen wir jetzt seine Schwachstellen. Nicht nur Japan und China verfügen über große Bestände an US-Staatsanleihen. In Europa sind sie sogar noch größer.“

La Vanguardia (ES) /

Wir wissen nicht mehr, wer die Unsrigen sind

Wie tief das Misstrauen sitzt, kommentiert in La Vanguardia Ex-Chefredakteur Màrius Carol:

„Die europäischen Behörden reagieren äußerst vorsichtig auf die Reden (und Entscheidungen) des US-Präsidenten, die wie Angriffe zu Lande, zu Wasser und in der Luft daherkommen. ... Wir wissen nicht mehr, wer auf unserer Seite ist. ... Brüssel hat so wenig Vertrauen in die Amerikaner, dass die Kommission alle Beamten, die in die USA reisen, aus Angst vor Spionage mit Wegwerfhandys und Computern mit Minimalfunktionen ausstattet, wie bereits üblich bei Reisen in die Ukraine und nach China. Das gilt auch für die Kommissare selbst. ... So stehen die Dinge: Wir wissen nicht, wer auf unserer Seite ist und was uns die ganze Sache am Ende kostet.“

Kathimerini (GR) /

Herausforderung als Chance begreifen

Kathimerini macht Mut:

„Europa (Großbritannien mitgezählt) umfasst etwa 500 Millionen gut ausgebildete, gut bezahlte Bürger. ... Die Staats- und Regierungschefs der EU dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass sie das Überleben der Union, der Demokratie und folglich ihrer Nationen sichern müssen. Sind die Europäer dieser Herausforderung gewachsen, führt der selbstzerstörerische Kurs Amerikas nicht zwangsläufig zu Europas Untergang. Eine stabile und unerschütterliche Union könnte sich sogar in einer unerwartet stärkeren Position befinden, Akademiker und Investitionskapital anziehen, gewinnbringende Handelsabkommen abschließen, ihre Verteidigung ausbauen, ihre Bündnisse und ihren Einfluss erweitern. Deshalb darf Europa heute nicht den Mut verlieren.“