Wie wirksam sind die neuen Griechenlandhilfen?
Der Entscheidung über neue Hilfskredite für Griechenland liegt ein Kompromiss zugrunde: Schuldenerleichterungen, die der IWF zur Voraussetzung für seinen Verbleib im Hilfsprogramm macht, die Berlin aber ablehnt, sollen erst 2018 beschlossen werden. Die nächste Krise ist nur aufgeschoben, bemängeln Kommentatoren und glauben, dass es allein um die kommende Wahl in Deutschland geht.
Hier geht es nur um deutsche Innenpolitik
Die Verschiebung der Schuldenerleichterungen für Griechenland zeigt, dass Deutschlands Wahlkampf wichtiger ist als Hilfe für Griechenland, schimpft Corriere della Sera:
„Die Eurogruppe und der Internationale Währungsfonds haben eine gehörige Dosis Make-Up verwendet, um den Aufschub lebenswichtiger Entscheidungen zu verdecken: nämlich die Revision der unrealistischen und erdrückenden Haushaltsziele für Athen und die Erleichterung der Schulden, die Griechenland offenkundig nicht begleichen kann. Im Privaten gesteht das Jeder ein. Sogar Wolfgang Schäuble. In der Öffentlichkeit und in der Eurogruppe beabsichtigt der Finanzminister von Berlin jedoch, bis 2018 keine Zugeständnisse zu machen, denn 2017 wird in Deutschland gewählt und ein jetziger Kompromiss mit Athen käme seine Partei teuer zu stehen. Da hilft es wenig, dass der IWF insistiert. Also hat man sich in Brüssel weitaus mehr um die deutsche Innenpolitik (ohne sie zu erwähnen) gekümmert als um Griechenland.“
Politischer Opportunismus siegt
Mit neuen Hilfsmilliarden für Griechenland löst die EU die eigentlichen Probleme nicht, kritisiert auch die Neue Zürcher Zeitung:
„Einmal mehr siegt in der Krise um Griechenlands Staatsfinanzen der politische Opportunismus. Die Gelder sollen weiter fliessen; der Schein, die Lage irgendwie unter Kontrolle zu haben, wird aufrechterhalten; und die Frage der Schuldentragfähigkeit will man erst in einigen Jahren ernsthaft angehen. Damit dürfte Europa diesen Sommer zwar eine hektische Krisendiplomatie erspart bleiben. ... Die Verschiebung eines neuerlichen Sommertheaters ist aber kein Grund, sich seitens der Geber oder des Schuldners nun in Sicherheit zu wiegen. Wer die vier Grundrechenarten beherrscht, merkt rasch, dass Griechenland nie in der Lage sein wird, seine Schulden vollumfänglich zurückzuzahlen. Wer das Gegenteil behauptet, geht von unrealistischen Annahmen aus, etwa einer absurd hohen Ausgabendisziplin.“
Zustand zwischen Leben und Tod bleibt
Griechenland erhält im Gegenzug für sein jüngstes Spar- und Reformpaket 10,3 Milliarden Euro. Das ewige Wechselspiel zwischen Sparen und Finanzhilfen wird aufrechterhalten, klagt To Vima:
„Der Kompromiss zwischen den Bestrebungen Schäubles und des IWFs gibt uns ein wenig Luft zum Atmen, hält uns aber trotzdem in einem Zustand zwischen Leben und Tod. Die Auszahlung des Geldes erfolgt in Raten, die Schuldenregelung ebenfalls. Gleichzeitig warten wir darauf, zu erfahren, welche zusätzlichen Sparanstrengungen noch erforderlich sind, damit das Geld fließt. ... Es ist offensichtlich, dass die EU-Partner und der IWF der griechischen Regierung noch immer nicht vertrauen, obwohl sie ein sehr schmerzhaftes Maßnahmenpaket verabschiedet hat. ... Deswegen haben sie zusätzliche Bedingungen - unerträglich für jedes demokratische Land.“
Ewiges Sparen erstickt den Mittelstand
Die Eurogruppe hat das Spar- und Reformprogramm der griechischen Regierung gelobt. Dabei hilft das niemandem, rügt De Volkskrant:
„Seit Jahren versuchen die Geldgeber, immer neue griechische Regierungen zu Reformen zu zwingen. Aber jede griechische Regierung weiß, dass der Geldhahn nicht geschlossen wird, solange sie nur ein Minimum an richtigen Signalen sendet. Also schluckt das griechische Parlament immer wieder 'schmerzhafte Maßnahmen' und die Geldgeber zücken wieder das Portemonnaie. ... Doch vor allem der kleine Mittelstand und die Bürger leiden unter den Steuererhöhungen, und das vernichtet die vorsichtige wirtschaftliche Erholung.“
Neue Chance für Griechenland
Endlich wird Griechenland wirklich geholfen, freut sich zumindest Il Sole 24 Ore:
„Der Euroraum muss sich ein Verfahren zur Schuldenrevision geben. Es werden schrittweise Mechanismen sein, um die Bedingungen, die das Land einhalten muss, nicht wirkungslos zu machen. Somit sind sie weniger großzügig als der vom Währungsfonds geforderte Schuldenerlass. Doch müssen sie eine Lösung bringen und die Ungewissheit der vergangenen Jahre vermeiden. Denn genau die Taktik des 'Aufschubs und Vorspielens' hatte tragische Folgen für die griechische Wirtschaft und Gesellschaft. Mit einem sicheren Mechanismus zur Schuldenerleichterung könnte die EZB griechische Staatsanleihen kaufen [sie sind bisher aus dem Anleihenkaufprogramm ausgeschlossen]. Zum ersten Mal seit sieben Jahren hätte die griechische Wirtschaft wieder eine Zukunftschance.“
Schuldenerleichterung kein Ersatz für Reformen
Griechenland krankt weiterhin an einer viel zu schwachen Wirtschaft, weshalb Zugeständnisse jetzt nicht das Gebot der Stunde sein können, bemängelt dagegen Der Tagesspiegel:
„Bevor Schuldenerleichterungen im kommenden Jahrzehnt zwingend notwendig werden, muss das Land in den nächsten Jahren auf einen Wachstumspfad kommen. Die geplanten Erleichterungen können kein Ersatz sein für nötige Strukturreformen, zu denen sich Griechenland im Gegenzug für das derzeit laufende dritte Rettungsprogramm verpflichtet hat. Dazu zählt eine weitere Liberalisierung des Arbeitsmarkts. ... Auch für das Grundübel der griechischen Politik - die viel zu schmale Steuerbasis - hat sich weiter kein Rezept gefunden. Das zeigt der jüngste Beschluss des griechischen Parlaments über ein Sparpaket, das höhere Steuern für die breite Masse vorsieht - Lebensmittel, Benzin und Internetanschlüsse werden künftig teurer. Mit diesen Steuererhöhungen ist Tsipras den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.“
Drama noch lange nicht beendet
Auch wenn jetzt alles nach einer Einigung im Schuldenstreit aussieht, haben beide Seiten noch einen weiten Weg vor sich, prophezeit Delo:
„Es wird keinen Durchbruch geben, solange sich nicht alle reinen Wein einschenken. Regierungschef Alexis Tsipras muss den Griechen deutlich machen, dass ein Schuldenerlass kein Zauberstab ist, mit dem sich alle Probleme Griechenlands einfach abschaffen lassen. Und dass die anderen EU-Staaten nicht für die griechischen Renten sorgen können. Die Gläubiger ihrerseits müssen sich damit abfinden, dass Griechenland so lange finanziell von ihnen abhängig sein wird, bis die Grundvoraussetzungen dafür geschaffen sind, dass sich die Wirtschaft des Landes selbst entwickeln kann.“