Guterres soll neuer UN-Generalsekretär werden
António Guterres wird mit großer Wahrscheinlichkeit neuer UN-Generalsekretär. Nachdem sich der Sicherheitsrat auf den früheren Chef des Flüchtlingshilfswerks UNHCR geeinigt hat, gilt dessen Bestätigung durch die Generalversammlung als Formalie. Einige Kommentatoren freuen sich, dass er sich auch gegen die von Berlin und Brüssel unterstützte Gegenkandidatin durchgesetzt hat.
Berlin und Brüssel haben nichts zu melden
Deutschland und die EU-Kommission hatten bei der Wahl zum UN-Generalsekretär die Kandidatin Kristalina Georgieva aus Bulgarien ins Spiel gebracht. Das war völlig unverständlich, ereifert sich Observador:
„Guterres hat eindeutig gezeigt, dass er der geeignetste und am besten vorbereitete Kandidat war. ... Trotzdem hat man mit der Last-Minute-Kandidatin Kristalina Georgieva versucht, Guterres zu stoppen. ... Dieser Versuch aber hat interessante Spaltungen in Europa offenbart: Frankreich und Großbritannien haben sich verbunden, um den Sieg der 'deutschen Kandidatin' Georgieva zu verhindern. London und Paris haben Berlin auf den gebührenden Platz zurückverwiesen – denn Deutschland mag zwar in der EU das Sagen haben, aber bei den Vereinten Nationen sind es die Briten und Franzosen, die Europa vertreten. ... Aber auch die EU-Kommission hat sich seltsam verhalten. ... Es ist einfach nicht zu verstehen, warum Brüssel nicht den europäischen Kandidaten unterstützt hat, der im Rennen am besten positioniert war.“
Kein Grund zum Feiern
Die Entscheidung für Guterres zeigt, dass die Uno ihre eigenen Normen über Bord wirft, um die Großmächte nicht zu verärgern, bedauert Večer:
„Dass ungeschriebene Gesetze und begründete Forderungen mit Füßen getreten wurden, ist nicht gerade vertrauenerweckend. Eine der Forderungen war, dass es künftig eine Generalsekretärin geben sollte, was plötzlich nicht mehr von Bedeutung war. Noch schlimmer für die Uno ist die Ignoranz des ungeschriebenen Gesetzes, dass der Generalsekretär diesmal aus der osteuropäischen Gruppe kommen sollte. Dass auch dieses Prinzip über den Haufen geworfen wurde, zeigt, dass die Supermächte in Zukunft keine Zurückhaltung mehr üben werden, wenn sie die rohe Macht des Stärkeren ausnutzen wollen. Und wohl das Wichtigste: Die Wahl von Guterres deutet an, dass die Uno droht, vom politischen Akteur bei Konflikten und Kriegen zu einer Art Welt-Humanitärorganisation zu werden.“
Syrienkonflikt wird erste Bewährungsprobe
Als neuer UN-Generalsekretär wird António Guterres die bisher erfolglose internationale Diplomatie im Syrienkonflikt neu beleben müssen, meint Guardian:
„Es wird an ihm liegen, in einer Situation, in der der UN-Sicherheitsrat so offensichtlich versagt hat, eine Führungsrolle zu übernehmen. Guterres erntete in der Vergangenheit Beifall für seine starken Worte zu einer Auswanderungswelle aus dem vom Krieg zerrütteten Nahen und Mittleren Osten, die mittlerweile größer ist als jene vom Ende des Zweiten Weltkriegs. Er wird Syrien an die Spitze seiner Prioritätenliste setzen und sich für einen kraftvolleren, aktiveren Ansatz entscheiden müssen. Die Uno muss eine intensive Pendeldiplomatie begleiten und anführen, an der die besten Diplomaten auf den höchsten Ebenen in jeder Hauptstadt aller betroffenen Länder beteiligt sind.“
Sieger wider Erwarten
Mit der Nominierung des Portugiesen hätte Público nicht gerechnet:
„Dies ist zweifellos bemerkenswert, wenn man bedenkt, was alles gegen ihn sprach: Er ist am falschen Ort geboren (nämlich in Westeuropa, und diesmal hat man einen Kandidaten aus Osteuropa gefordert). Er hat auch nicht das richtige Geschlecht (erstmals in der Geschichte der UN sollte eine Frau an der Reihe sein) und spricht auch nicht die richtige Sprache: immer als Humanist und pro Flüchtlinge - ein Diskurs, der Russland und China abschrecken würde, so hieß es. ... Guterres verfügt über die für den Job notwendigen Kompetenzen: Prinzipien, Kultur, Erfahrung und Verhandlungsgeschick. Dass er auch die notwendige Entschlossenheit mitbringt, um auf den Tisch zu hauen ist eher zweifelhaft. ... Andererseits gibt es für den UN-Generalsekretär gar keinen solchen Tisch, denn was zählt ist der Sicherheitsrat - und dort hat Guterres bekanntlich keinen Sitz.“
Der Posten ist einen Streit nicht wert
Misstrauisch zeigt sich Delo angesichts der überraschend unkomplizierten Einigung auf Guterres:
„Die schnelle und unproblematische Wahl zeigt nur eines: Die Vereinten Nationen sind in der modernen internationalen Politik derart marginalisiert, dass es den großen Mächten - die in letzter Zeit auf den Krisenherden der Welt die Traditionen aus der Zeit des Kalten Kriegs wiederaufleben lassen - nicht wert war wegen einem derart 'wichtigen' Amt zu streiten. Auch den Russen nicht, die noch vor Tagen versicherten, auf einem Kandidaten aus Osteuropa zu beharren, wenn möglich einer Frau. Sie haben sich dann doch gebeugt und sich für eine Figur entschieden, die keine großen Veränderungen anstreben und keine großen Probleme machen wird.“