Rechtsextreme beschwören "Erwachen der Völker"
In Koblenz sind am Wochenende die Granden der europäischen Rechten zusammen gekommen. Mit dabei war erstmals auch Frauke Petry von der AfD. 2017 werde das Jahr, "in dem die Völker des kontinentalen Europa" erwachen, erklärte Front-National-Chefin Marine Le Pen. Sie könnte schon bald einen ordentlichen Dämpfer erhalten, glauben Kommentatoren und rufen dazu auf, den Rechtsextremen mit neuen Allianzen entgegenzutreten.
Nationalisten werden auf die Nase fallen
Nach ihrer Kampfansage in Koblenz werden Europas führende Rechtspopulisten schon bald ausgebremst werden, vermutet der Tages-Anzeiger:
„[Der niederländische] Ministerpräsident Mark Rutte [hat] eine Koalition mit Wilders kategorisch ausgeschlossen. ... Geert Wilders’ Sturm gegen das 'Establishment' dürfte also verpuffen. Ähnlich dürfte es Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich ergehen. Das Kandidatenfeld ist dort so breit, dass die Chefin des Front National am 23. April nicht einmal den Platz im ersten Wahlgang auf sicher hat. Gut möglich, dass es in Frankreich bei der Stichwahl zwei Wochen später auf ein klassisches Duell zwischen einem Kandidaten der konservativen Rechten und der Linken hinausläuft. Und sonst hat Le Pen gemäss allen Prognosen gegen eine antinationalistische Koalition keine Chance. Auch für die deutsche Bundeskanzlerin und ihre Christdemokraten sind die Perspektiven bei den Bundestagswahlen vom 24. September so gut wie schon lange nicht mehr.“
Neue Allianzen gegen Rechtsextreme nötig
SPD-Chef Sigmar Gabriel, Grünen-Chefin Simone Peter, Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn und mehrere andere Politiker haben an der Protestkundgebung in Koblenz teilgenommen. Damit ist die Arbeit noch nicht getan, erklärt die regierungsnahe Tageszeitung Avgi:
„Es war an der Zeit, aber es reicht nicht, sich ein paar Stunden 'für ein buntes, offenes und soziales Europa des 21. Jahrhunderts' in die Kälte zu stellen, während man nichts an der eigenen Politik ändert. In den meisten Ländern der Eurozone hat die klare Mehrheit der Bürger den Eindruck, dass die Dinge in ihrem Land und in Europa in die falsche Richtung laufen. … Diese politischen Kräfte müssen Allianzen bilden, damit ihre Vorschläge nicht nur auf dem Papier bleiben. In diesem Sinne ist der Gipfel der südeuropäischen Länder (Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Zypern und Malta) am Samstag in Lissabon und ihr Versprechen, auf ihre eigene 'Vision von Europa' hinzuarbeiten, von entscheidender Bedeutung. Und eine Antwort auf die extreme Rechte.“
EU droht der Kollaps
Bei aller Entrüstung über den neuen US-Präsidenten darf man die gefährlichen Tendenzen diesseits des Atlantiks nicht aus den Augen verlieren, mahnt El Periódico de Catalunya angesichts des Gipfels europäischer Rechtsparteien in Koblenz:
„Das Jahr 2017 wurde bei dem Treffen zum 'Jahr der Patrioten' getauft, in dem nach der Wende durch den Brexit und den Wahlsieg Trumps in den USA, die 'Revolution auf dem Kontinent' erfolge. ... Es ergibt sich ein explosives Gemisch aus dem radikalen Populismus der neuen US-Regierung, der immer dreisteren Europafeindlichkeit der Ultrarechten auf dieser Seite des Atlantiks und dem noch nicht verdauten Schock des Brexit. Diese Kombination könnte einen Rückschritt in der Geschichte mit katastrophalen Folgen bedeuten. Es ist schwer vorstellbar, dass sich die EU auflöst, aber es ist durchaus im Bereich des Möglichen, dass viele populistische Nationalismen die Union in einen unheilbaren Kollaps führen.“
Drehbuch 2017 nicht den Rechten überlassen
Seit sich die Rechtspopulisten Europas 2013 zu einer Allianz zusammengeschlossen haben, erfahren sie enormen Aufwind, erinnert die taz:
„Natürlich ist diese Dynamik bekannt: die AfD-Erfolge auf Landesebene, das Brexit-Referendum, die Wahl Trumps. Es ist offensichtlich, dass es ein inhaltliches Element gibt, das diese Ereignisse verbindet. Zu Recht blicken progressive Kräfte gerade mit Besorgnis auf das halbfertige Drehbuch des Jahres 2017, das Urnengänge in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland vorsieht. … Die Botschaft aus Koblenz ist deutlich: Es ist den Petrys, Wilders und Le Pens mehr als ernst. Und so ernst sollte man sie auch nehmen - mittels gründlicher Analyse. Was auch bedeutet, in ihrer Rhetorik von 'erwachenden europäischen Völkern' nicht gleich einen neuen Faschismus am Horizont zu sehen, wohl aber eine erschreckende Unempfindlichkeit gegenüber solchen Bildern.“