Rumänien demonstriert wieder gegen Justizreform

In Rumänien sind am Wochenende erneut Zehntausende auf die Straße gegangen, um gegen die umstrittene Justizreform zu protestieren. Die eigentlich für vergangene Woche geplante Parlamentsabstimmung darüber steht wieder aus. Rumäniens Presse kann den Unmut der Demonstranten verstehen. Er richtet sich besonders gegen die Chefs der beiden Parlamentskammern, Liviu Dragnea und Călin Popescu-Tăriceanu, die beide Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sind.

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republica.ro (RO) /

Warten auf eine ehrliche Regierung

Kein Wunder, dass die Bürger dem aktuellen rumänischen Parlament keine ehrliche Justizreform zutrauen, findet Journalist Florin Negrutiu auf dem Blog Republica.ro:

„Das Grundproblem ist nicht, dass die Leute die Justizgesetze nicht verstehen oder sie nicht lesen, sondern dass niemand will, dass die Justizreform von der PSD eines Liviu Dragnea und der liberalen Alde eines Călin Popescu Tăriceanu gemacht wird. … Die Leute auf der Straße sagen: Von solchen Politikern können die Justizgesetze nicht ausgehandelt werden. Sie müssen aufgeschoben werden, bis eine ehrliche Regierung an die Macht kommt, die keine versteckten Absichten hat und die mit den juristischen Experten, der parlamentarischen Opposition und der Gesellschaft in einen Dialog tritt.“

Deutsche Welle (RO) /

Hört der Präsident auf das Volk?

Schon einmal, Anfang des Jahres, waren die zivilen Proteste erfolgreich, wenn auch nur kurzfristig, erinnert der rumänische Dienst der Deutschen Welle:

„Die Eilverordnung, mit der die neue PSD-geführte Regierung die Justiz gleichschalten wollte, war im Februar zwar auf Druck der Straße zurückgenommen worden, doch Dragneas Truppe machte sich anschließend sofort daran, die umstrittenen Gesetze 'demokratisch' durchs Parlament zu bringen. Mit ihrer satten Mehrheit der Mandate sollte das auch kein wirkliches Problem sein. Die Hoffnung der Verteidiger des Rechtsstaats ruht deswegen auf dem liberalen Staatspräsident Klaus Johannis. Dieser hatte sich bereits im Februar zu den Protestierenden gesellt und kündigte mehrmals an, alle ihm zur Verfügung stehenden verfassungskonformen Mittel anzuwenden, um das Vorhaben zu stoppen. In letzter Instanz hieße dies ein Referendum. ... Ob Johannis den Mut dazu hat?“

Deutsche Welle (RO) /

Sozialdemokratische Partei ist Oligarchenlobby

Liviu Dragnea hat seine sozialdemokratische PSD systematisch zu einer Oligarchen-Partei ausgebaut, erklärt die Deutsche Welle:

„Unter der Führung des Barons aus Teleorman wurde die PSD ganz offensichtlich zur politischen Repräsentantin des großen einheimischen Kapitals. Der Oligarchie. … Die Ranghöchsten der PSD sind nicht nur die politischen Herrscher des Landes, in dem sie eifrig in ihrem eigenen Interesse den Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Justiz demontieren. Die PSD ist auch ein Club großer Unternehmer. Wie jede feudale Kaste aus Emporkömmlingen, Gauklern, Betrügern, Plagiatoren und ordinären Hochstaplern, die über Nacht reich geworden sind, will sie sich nicht nur übers Gesetz heben, sondern bekommt außerdem auch den Hals nicht voll.“

Ziare (RO) /

Der Antrieb der Verzweiflung

PSD-Chef Liviu Dragnea will seine eigene Haut retten, meint Journalistin Ioana Dogioiu Ene auf dem Nachrichtenportal Ziare:

„Liviu Dragnea und sein Hofklüngel agieren nach der Logik der Verzweiflung. Und das kann sie zu allem treiben. Hätten sie lediglich Angst vor den euroatlantischen Reaktionen, dann hätten sie nicht diesen Angriff auf die Gesetze gewagt, mit dem sie alle Empfehlungen des EU-Fortschrittsberichtes und des amerikanischen Botschafters überhören, die gefordert hatten, dass das Justizsystem diesen Gesetzesänderungen zustimmen muss. … Ich befürchte, wir sind in einer beispiellosen Situation angelangt, in der die Macht von einem einzigen Menschen konfisziert wurde. Diesen treibt die Angst vor der Haft um und so geht es ihm um nichts anderes als um die Rettung aus der Schlinge, die sich immer enger um seinen Hals zieht.“

Ziare (RO) /

Folgt Rumänien Ungarn und Polen in die Grauzone?

Der PSD-Vorsitzende und Chef der Abgeordnetenkammer Liviu Dragnea steuert die rumänische Politik in eine gefährliche Richtung, wettert der Journalist Emilian Isaila in Ziare:

„Schwer zu sagen, ob Rumänien es schafft, auf dem europäischen Weg zu bleiben. Wir sind kurz vorm Scheitern und sehr nah an der Grauzone, in der sich Ungarn und Polen schon befinden. Meiner Meinung nach hat der Egoismus eines Parteiführers die Krise um die Justizreform aus heiterem Himmel vom Zaun gebrochen, und wir werden noch Jahre an ihr zu knabbern haben. Die PSD hat sich als schwache Partei erwiesen. Sie ist auf Dragneas Plan hereingefallen. Wenn die Sozialdemokraten nicht ihr Paradigma überwinden, sich um jeden Preis über das Gesetz stellen zu wollen, werden sie keine Zukunft haben.“

Hotnews (RO) /

EU wird Reform nicht tolerieren

Die EU wird den Angriffen auf den rumänischen Rechtsstaat nicht tatenlos zusehen, ist das Onlineportal Hotnews sicher:

„In Brüssel wird weiter darüber diskutiert, die EU-Mittel für die Länder zu kürzen, die den Rechtsstaat nicht respektieren. Die Verbitterung der EU begann, als Regierungen, wie die in Ungarn und Polen, massive Gesetzesänderungen vornahmen. ... Auf diesen Weg hat sich auch die Regierung in Rumänien gemacht. In Brüssel wie auch bei uns wissen alle, dass die Justizreform nur ein Ziel verfolgt: Dass die Parteiführer der PSD und [ihres liberalen Koalitionspartners] Alde sowie ihre Sponsoren, die in der Halbwelt agierende Geschäftsleute sind, nicht juristisch zur Verantwortung gezogen werden können. Die Staaten, die am meisten in den EU-Haushalt einzahlen, haben das Verhalten der autoritären Anführer in Osteuropa satt. Sie wollen solche Ausfälle nicht mehr finanzieren.“