Handelskrieg EU-USA vorerst verschoben?
Die EU bleibt weiterhin von Strafzöllen der USA auf Stahl und Aluminium verschont. Präsident Trump verschob die Entscheidung auf Anfang Juni. Die Angst vor einem Handelskrieg beherrscht weiter die Kommentarspalten. Manche Medien glauben aber, dass die Spannung künstlich aufrechterhalten wird.
Trump entlarvt sich als Schaumschläger
Der US-Präsident hat gezeigt, dass er keine ernsthafte Handelspolitik betreibt, urteilt die Neue Zürcher Zeitung:
„Das Vorgehen Trumps zeugt vor allem von politischer Schaumschlägerei und der alten Masche, mit überzogenen Forderungen Verhandlungsmasse aus dem Nichts aufzubauen. Es mag für Einschaltquoten gesorgt haben, die Entscheidung erst wenige Stunden vor dem Auslaufen der ersten Frist am 1. Mai zu verkünden. Eine ernsthafte Handelspolitik mit Verbündeten sieht anders aus. ... Das Anzetteln von Handelskonflikten mag zwar bei der Klientel Trumps auf Beifall stossen, das Ausstossen von Drohungen und ein Hin und Her dienen aber nicht der Sache und stärken auch nicht die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Industrieunternehmen.“
Gnadenfrist bringt nichts
Der erneute Aufschub der von Trump angedrohten Strafzölle ändert nichts daran, dass die USA und Europa weiter nah am Ausbruch eines Handelskriegs sind, notiert Hospodářské noviny:
„Der Aufschub bietet zwar die Chance, die Lage zu beruhigen; aber der ominöse Ton der Debatte zwischen den westlichen Wirtschaftsmächten bleibt. Dieser ergibt sich aus der inneren Überzeugung von Trump, der den internationalen Handel als Wettstreit sieht, an dessen Ende es Sieger oder Verlierer gibt. Dass der Handel für beide Seiten von Vorteil sein könnte, ist in dieser Sichtweise nicht erlaubt.“
Europa emanzipiert sich von der US-Vorherrschaft
Das Thema Zollschranken ist im Moment das einzige, mit dem sich Trump gegenüber Merkel und Macron noch behaupten kann, analysiert Ria Nowosti mit Blick auf deren Washington-Besuche vergangene Woche:
„Der einzige 'Erfolg' [für Trump] lag darin, dass die beiden europäischen Leader den US-Präsidenten nicht davon überzeugen konnten, auf die Idee eines neuen transatlantischen Handelskriegs zu verzichten. Doch das ist eindeutig kein Resultat, das Trump und jene, die noch an die US-Hegemonie glauben, befriedigen könnte. ... Schon jetzt kann man sagen: Europa hat sich aus den Händen der USA losgerissen und die Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa wird künftig immer konfliktreicher werden. Für Russland und China sind das einfach wunderbare Nachrichten - und für Europa selbst ist das eine Chance, die einst verlorene Freiheit wieder zu erlangen.“
Trump könnte EU spalten
Der US-Präsident könnte im Handelsstreit versuchen, Deutschland und Frankreich gegeneinander auszuspielen, fürchtet Kolumnist Wolfgang Münchau in Financial Times:
„Die EU ist beim Konflikt um das Iran-Abkommen solidarisch, doch der Streit über Zölle wird ihre Einheit auf die Probe stellen. Was diese Auseinandersetzung besonders heikel macht, ist Folgendes: Donald Trump könnte es schaffen, einen Keil zwischen Frankreich und Deutschland zu treiben. Er hat ein Problem mit deutschen Autos, aber nicht mit französischem Champagner. Das bilaterale Handelsbilanzdefizit der USA im Jahr 2017 mit Frankreich betrug 15 Milliarden US-Dollar, jenes mit Deutschland 64 Milliarden US-Dollar. Ich habe schon oft über den wirtschaftlichen Schaden geschrieben, den der achtprozentige Handelsbilanzüberschuss Deutschlands verursacht. Jetzt wird dieser zu einem politischen Problem für die EU.“
Bilaterale Verhandlungen wären großer Rückschritt
Trump will das globale Handelssystem aus den Angeln heben, warnt La Repubblica:
„Das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber Europa beträgt 151 Milliarden Dollar, wenn man nur physische Güter betrachtet. Doch bei den Dienstleistungen, die den dynamischsten Teil der Wirtschaft von heute ausmachen, verzeichnen die USA einen Überschuss von 50 Milliarden Dollar. Trump achtet allerdings nicht auf die komplexen Mechanismen des internationalen Handels, sondern vor allem auf die Stimmung seiner Wähler. ... Die EU möchte ihre Interessen 'im Rahmen der multilateralen Handelsregeln' verteidigen. Nämlich das gleiche Recht auf kommerzielle Vorteile für alle. ... Wenn man diese Regeln außer Kraft setzt und an ihre Stelle bilaterale Verhandlungen treten, mit denen die USA ihr ganzes Gewicht gegen den jeweiligen Handelspartner ausspielen können, bedeutet das einen großen Rückschritt.“