Mazedonien: Jahrzehntelanger Namensstreit beendet
Das Parlament in Athen hat mit 153 zu 146 Stimmen dem Abkommen zur Umbenennung Mazedoniens zugestimmt. Das Land, das international bislang meist unter dem Namen "ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien" (FYROM) fungierte, heißt fortan "Republik Nordmazedonien". Welchen Wert hat die Beilegung des jahrzehntelangen Namensstreits?
Abkommen rückgängig machen
Trotz des Abkommens zur Namensänderung ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, hofft Nova Makedonija:
„Das Volk hat sich als nicht besonders einfallsreich erwiesen, als es darum ging, die hinterhältigen Politiker aufzuhalten. ... Nun müssen sobald wie möglich Neuwahlen stattfinden, damit das Volk seinen Willen kundtun kann. Wenn es die Regierung wiederwählt, dann haben wir es nicht anders verdient. ... Formt sich aber ein entschiedenes Nein gegen die unverschämte, von den USA beeinflusste Politik, dann muss die neue Regierung schleunigst dafür sorgen, dass die Rechtsstaatlichkeit und Gesetzmäßigkeit wiederhergestellt werden. Dass diejenigen, die unsere Rechte und Interessen verraten haben, zur Verantwortung gezogen und die unwürdigen Abkommen überprüft oder rückgängig gemacht werden. Dazu zählt auch das Gesetz über den Gebrauch der albanischen Sprache [als offizielle Sprache in Mazedonien].“
Die EU muss ihre Chance schnell nutzen
Damit Tsipras' Einsatz für den Frieden Sinn macht, muss die EU jetzt rasch auf Nordmazedonien zugehen, fordert der ehemalige dänische Außenminister Uffe Ellemann-Jensen in Berlingske:
„Es gab [in Nordmazedonien] breiten Widerstand - genährt von russischer Einmischung in die Meinungsbildung, wie man es immer mehr auf dem Balkan sieht. Aber in Griechenland war der Widerstand noch größer. Später in diesem Jahr sind Wahlen in Griechenland, und Tsipras wird wahrscheinlich die Wahlen verlieren, aber er hat sich als Friedensmakler in die Geschichte des Balkans eingeschrieben. Um die positive Entwicklung zu erhalten, ist es für die EU jetzt wichtig, rasch zu handeln und ihre Bande zu Nordmazedonien zu knüpfen.“
Das ist einen Nobelpreis wert
Der griechische Premier Alexis Tsipras und sein nordmazedonischer Amtskollege Zoran Zaev sind wegen des Abkommens zur Lösung des Namensstreits für den Friedensnobelpreis im Gespräch. Zu Recht, findet Kolumnist Kostadin Filipow in Trud:
„Einen besonderen Verdienst, den man den beiden Premiers persönlich zusprechen muss, ist, dass sie sich so sehr darum bemühten, einander möglichst gut kennenzulernen. So bauten sie Vertrauen auf, das sie auf ihre Mitarbeiter übertrugen, die das Abkommen ausarbeiteten. … Das Ergebnis wurde als 'historisch' bezeichnet. Und ich finde zu Recht, obwohl ich in der kurzen, ein Vierteljahrhundert alten Geschichte Mazedoniens als unabhängige Republik dieses Wort so häufig gehört habe, dass sich seine Bedeutung langsam abnutzt.“
Wer von dem Konflikt profitiert hat
Nicht nur, dass die Lösung der Mazedonien-Frage Tsipras die Zustimmung vieler Wähler gekostet hat, sie hat auch einen weit unangenehmeren Nebeneffekt, beobachtet To Vima Online:
„Diejenigen, die die Ereignisse in Nordgriechenland verfolgen, behaupten, dass die Regierung die Gefühle der Bürger brutal verletzt hat. Sie betonen, dass sich das Klima für die Regierungspartei Syriza und den Premier persönlich verschlechterte. ... Bemerkenswert ist auch die Gelegenheit, die die Namensfrage den antisystemischen Kräften der extremen Rechten bietet, insbesondere der Partei Chrysi Avgi. In [der nordgriechischen Region] Makedonien versteckte Chrysi Avgi ihr abstoßendes Nazi-Gesicht unter den Fahnen mit der Sonne von Vergina [Symbol für das antike Makedonien] und ihre Mitglieder spielen eine führende Rolle bei gewalttätigen Aktionen.“
Zu eng sollen die Beziehungen auch nicht werden
Warum die Republik Nordmazedonien noch auf die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen warten muss, weiß die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Idök:
„In den EU-Mitgliedsstaaten ist die Aufnahme der 'vielen kleinen Länder mit kyrillischen Buchstaben' vom Balkan nicht besonders populär, darum würde ein Beginn von Verhandlungen mit Mazedonien den Sieg der 'guten' (gemeint ist: linksliberalen) Seite bei der kommenden Europawahl gefährden. Ein großes politisches Ziel wurde aber verwirklicht, jedenfalls eins der USA: Endlich ist auch Mazedonien Teil der Sicherheitszone, die erschaffen wurde, um Russland zu isolieren.“
Welch eine Ironie!
Eric Bonse weist auf seinem Blog Lost in Europe darauf hin, dass Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble einst alles getan haben, um Tsipras loszuwerden:
„Als der Syriza-Chef ein Referendum über die von Berlin verordnete Austeritätspolitik in Griechenland ansetzte, wurde das Ergebnis schlicht ignoriert. Damit haben Merkel & Co. auch jeden Ansatz einer alternativen, linken Wirtschafts- und Finanzpolitik in der EU abgewürgt. Welch eine Ironie, dass nun ausgerechnet Tsipras den Europäern einen außenpolitischen Erfolg beschert! Demgegenüber haben die griechischen Konservativen, also die Verbündeten von Merkel und ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl, Weber, bis zuletzt versucht, die Einigung zu torpedieren.“
Griechenland ist erstmals nicht das Problem
Den Blick in die Zukunft richtet die englische Version von Kathimerini und drängt, dass Griechenland die Beziehungen zum Nachbarland Mazedonien zu seinem Vorteil gestalten muss:
„Dies bedeutet, unsere Freundschaft zu stärken und unsere Zusammenarbeit in den Bereichen Handel und Wirtschaft zu vertiefen. Darüber hinaus sollten wir auf dem diplomatischen Parkett davon profitieren, dass es uns zum ersten Mal seit Jahrzehnten gelungen ist, Teil einer Lösung zu sein und nicht Teil des Problems. Jenseits der Politik gibt es die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Die Bevölkerung war gespalten, auf unverzeihlich tiefe Art und Weise. Deshalb muss es ein weiteres nationales Ziel sein, die Wunden zu heilen. Das wird keine leichte Aufgabe und einige Zeit dauern und der Heilungsprozess muss ohne Verzögerung beginnen. Das ist eine Verpflichtung für die Politiker, für die Intellektuellen und vor allem für uns Journalisten.“
Ohne Rechtsstaat hätte das nicht geklappt
Wichtige Lehren für andere Balkanstaaten, erkennt Der Standard:
„Möglich wurde das Abkommen, weil 2015, als bewiesen werden konnte, dass die damalige mazedonische Regierungspartei die Polizei und die Justiz komplett unterlaufen hatte, eine Kommission unter der Leitung des deutschen Juristen Reinhard Priebe ins Land geschickt wurde. Sie zeigte die autokratischen Strukturen auf und machte Vorschläge zur Wiederherstellung von Rechtsstaat und Demokratie. Ziel war es, die Gewaltenteilung zu stärken - sprich den Einfluss von Parteien einzudämmen. Erst danach konnten Politiker an die Macht kommen, die die Interessen der Bürger im Auge hatten - und nicht die eigene Geldtasche. Mit korrupten Autokraten wie Expremier Nikola Gruevski, der sich nach Ungarn abgesetzt hat, wäre der Namensdeal nie zustande gekommen. Eine solche Priebe-Kommission würden auch andere Balkanstaaten benötigen.“
Der Westen hat sich durchgesetzt
Beim Namensstreit ging es um viel mehr als die Befindlichkeiten beider Länder, erklärt Trud:
„Die Wahrheit ist, dass die Amerikaner und Europäer (allen voran die Deutschen) Griechenland und Mazedonien unter Druck gesetzt haben, sich zu einigen. ... Auf dem Balkan wird ein großes geopolitisches Spiel gespielt. Hier treffen die Interessen des Westens auf die Russlands, heimlich gefolgt von China und der Türkei. Es geht um Macht und Einfluss. Das Namensabkommen ist ein Teil dieses gefährlichen Spiels. Nach seiner Ratifizierung in Griechenland und Mazedonien, ist der Weg zur Nato-Mitgliedschaft Mazedoniens frei geworden. Moskau verliert seinen Einfluss und zieht sich fast vollständig vom Balkan zurück.“