Streit um Tanker: London will Marinemission
Mit einer europäischen Marinemission will Großbritannien Handelsschiffe im Persischen Golf schützen. Der Grund: Vergangene Woche hatte der Iran den britischen Tanker Stena Impero in der Straße von Hormus gestoppt. Wie sinnvoll ist eine solche Mission?
Schritt zu einer europäischen Außenpolitik
Die Süddeutsche Zeitung findet den Vorschlag aus London klug:
„[D]enn er macht deutlich, dass Großbritannien und die Europäer sich nicht der 'Kampagne des maximalen Drucks' gegen Iran von US-Präsident Donald Trump anschließen - im Gegenteil. In der Eigenständigkeit der Mission liegt eine deutliche Abgrenzung zu den USA und ein neuerliches Bekenntnis zum Atomabkommen, das Frankreich, Großbritannien und Deutschland zu retten versuchen. Zugleich ist sie ein weiterer kleiner Schritt hin zur strategischen Autonomie europäischer Außenpolitik. ... Auch ein überfälliges Signal an Iran ginge von einer solchen Mission aus: Bei allem Bemühen um das Atomabkommen gibt es Grenzen dessen, was die Europäer bereit sind hinzunehmen. ... Das Unterfangen wäre überdies ein erster Schritt, Großbritannien, das womöglich nicht mehr lange der EU angehört, in europäische Politik einzubinden.“
Hormus zeigt die Grenzen Großbritanniens
Boris Johnson sollte jetzt schnell lernen, wo die Grenzen der britischen Autarkie verlaufen, rät El País:
„Selbstverständlich werden die Europäer den Briten so gut wie möglich helfen. Es handelt sich um Bündnispartner und sie sollten es auch in Zukunft bleiben, wenn auch in anderer Form. Doch der Hilferuf zeigt, wie sehr das Gerede von Souveränität, die imperiale Nostalgie und das Streben nach wirtschaftlicher Autarkie falsche Lösungen sind für die Probleme von heute. Johnson muss diese Lektion ohne Umschweife lernen. Die Bedeutungslosigkeit des aggressiven individuellen Nationalismus, für den er einsteht, trägt heute den Beinamen Hormus.“
Beunruhigende Uneinigkeit des Westens
Während US-Präsident Donald Trump im Konflikt mit dem Iran versucht, den Druck zu erhöhen, fordert Großbritannien eine europäische Marinemission. Dieser offensichtliche Mangel einer gemeinsamen Strategie missfällt Dagens Nyheter sehr:
„Es ist beunruhigend, wenn die USA und ihre Verbündeten anscheinend völlig unterschiedliche Strategien haben, um die Krise zu meistern, die katastrophale Folgen haben könnte. Krieg kann aus vielen Gründen ausbrechen, nicht zuletzt aufgrund von schwerwiegenden strategischen Fehlern. Und der Nahe Osten ist wahrlich keine Region, in der es an Lunten mangelt, die zum Glühen gebracht werden können.“
Solidarität mit Großbritannien zeigen
Die EU und Deutschland müssen endlich reagieren, fordert Der Tagesspiegel:
„[M]it militärischer Defensive und ökonomischem Druck. Also mit Begleitschutz für europäische Schiffe, die durch den Persischen Golf fahren, damit der Iran keine weiteren Schiffe kapern kann; vor zwei Wochen hat Geleitschutz den ersten Versuch Irans, ein britisches Schiff zu kapern, vereitelt. Und mit Sanktionen gegen den Iran, bis das britische Schiff frei ist - und bis jedes weitere EU-Schiff frei ist, das der Iran womöglich zusätzlich zu kapern gedenkt. Und mit den Sanktionen lässt sich der Iran in seiner schweren Wirtschaftskrise in absehbarer Zeit zum Einlenken bewegen. Die USA machen es gerade vor. ... Dies wäre der Moment, in dem die EU geschlossen ihr Mitglied Großbritannien verteidigen müsste. Dass die Briten aus der EU austreten wollen, ist irrelevant, denn aktuell ist das Land EU-Mitglied.“
Keiner will London beistehen
Londons scharfe Rhetorik gegenüber Teheran zeigt die Hilflosigkeit einer Ex-Großmacht, der selbst ihre Verbündeten nicht mehr entschlossen beistehen wollen, meint Ria Novosti:
„Großbritanniens Vorgehen erinnert stark an einen streitsüchtigen Jungen, der mal wieder Prügel abbekommen hat und zum großen Bruder rennt, weil er auf dessen Hilfe hofft. Doch dort wartete auf die Briten eine unangenehme Überraschung: Sowohl Washington als auch die Nato zeigten erstaunlich wenig Enthusiasmus, das enfant terrible zu unterstützen. Die Allianz beschränkte sich auf eine lapidare Erklärung, die 'alle diplomatischen Bemühungen' zur Beilegung der Situation unterstützte. Auch die Reaktion der USA war verdächtig lasch.“
EU zwischen den Stühlen
Die Europäer befinden sich in einer schwierigen Lage, kommentiert Kolumnist Giorgos Kapopoulos in Ethnos:
„Unabhängig vom politischen Willen der Europäer, sich nicht automatisch an Trumps Politik binden zu wollen, sondern auch das Abkommen über das Teheraner Atomprogramm zu retten, sind die Spielräume des Alten Kontinents begrenzt. Angesichts des Dilemmas, entweder den US-amerikanischen oder den iranischen Markt zu verlieren, ist die Wahl der Staaten und Unternehmen in der EU ziemlich offensichtlich. ... Für Teheran wiederum ist es sehr gefährlich, dass sich langsam, aber stetig die Akzeptanz der aggressiven Politik Trumps durchsetzt, die zunächst auf die internationale Isolation des Irans abzielt.“
Schluss mit den Nettigkeiten
Für ein hartes Vorgehen gegen Teheran gibt es genügend Argumente, findet Daily Telegraph:
„Der Iran ist eine blutrünstige Diktatur, die Frauen, sowie religiöse und sexuelle Minderheiten unterdrückt. Er hat Terrorismus exportiert, droht damit, das Atomabkommen zu brechen und soll Raketentechnologien entwickeln, die ihn noch weiter stärken, wenn das Abkommen endgültig ausläuft. ... Es ist wichtig, dass der nächste [britische] Premier mehr für Verteidigung ausgibt. Er muss außerdem die britische Außenpolitik überdenken, denn es ist klar, dass Nettigkeit beim Atomabkommen nicht zieht. Die USA haben den Iran aufgegeben - verständlich mit Blick auf die Geschehnisse im Golf. Es ist ein Schurkenstaat, der als solcher behandelt werden sollte.“
Koalition gegen den Iran nötig
Großbritannien wird großes Interesse daran haben, im Tankerkonflikt eine internationale Koalition an seiner Seite zu versammeln, kommentiert der Tages-Anzeiger:
„Auf den ersten Blick sollte das nicht schwerfallen. Der Iran bemüht sich nicht wirklich, für die Kaperung der Stena Impero aus omanischen Gewässern eine Begründung zu konstruieren. ... Hier geht es um Vergeltung, nachdem die britische Marine zur Durchsetzung eines EU-Embargos iranisches Öl auf dem Weg nach Syrien aufgehalten hat - in britischen Gewässern, wohlgemerkt. ... London sollte erstens keine unerfüllbaren Forderungen an die Partner stellen; und zweitens sollten die europäischen Hauptakteure Frankreich und Deutschland endlich ihr Vermittlungspotenzial erkennen und den Iran mit der Forderung nach Verhandlungen unter ernsthaften Druck setzen.“
Johnson in der Klemme
Warum der mögliche nächste britische Premier Boris Johnson gezwungen werden könnte, sich auf militärische Manöver gegen den Iran einzulassen, erläutert NRC Handelsblad:
„Johnson verbindet seine Brexit-Strategie zum Teil mit einem Handelsabkommen mit den USA, das er braucht, um sein Vorgehen zu Hause verkaufen zu können. Um die Aussicht auf so einen günstigen Deal am Leben zu erhalten, ist Johnson von Trump abhängig. Es ist gut möglich, dass Trump die günstigen Signale aus Washington zum Handelsabkommen daran koppelt, dass London seine Pläne stützt, den Iran härter und sogar militärisch anzugehen.“
Ewiges Katz-und-Maus-Spiel
Der Konflikt wird wohl noch eine Weile weiter köcheln, ohne zu eskalieren, prophezeit Club Z:
„Trump wird keinen neuen Krieg riskieren, wenige Monate vor dem Jahr der nächsten US-Präsidentschaftswahl. Ein solcher Krieg würde dem Versprechen seines ersten Wahlkampfs zuwiderlaufen, die US-Truppen aus dem Irak und Afghanistan abzuziehen. Gleichzeitig kann er sich nicht leisten, die Sanktionen und Maßnahmen zu beenden, die er bereits seit einem Jahr gegen das iranische Regime anwendet, ohne der US-Wählerschaft irgendeine Art von Sieg zu präsentieren. ... Deshalb wird das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Washington und Teheran weitergehen.“