Reicht das Corona-Hilfspaket der EU?
Die EU-Finanzminister haben kurz vor Ostern das größte Hilfspaket in der Geschichte der Union beschlossen: 540 Milliarden Euro sollen in Form von Krediten für Unternehmen und Staaten sowie für die Unterstützung der Arbeitslosenkassen verfügbar gemacht werden. Die umstrittenen Corona-Bonds sind vorerst vom Tisch. Kommentatoren sehen die Einigung überwiegend skeptisch.
Auflagen sind zu schwammig
Die Tageszeitung Bild hat gemischte Gefühle zum Hilfspaket:
„[V]on 'zielgenauen' Hilfen, die die Regierung versprach, kann hier keine Rede sein. Harte Kredit-Auflagen wurden durch schwammige Schein-Vorgaben ersetzt. Hochverschuldete Staaten wie Italien und Griechenland bekommen Milliarden, um 'direkte oder indirekte' Folgen der Corona-Krise zu bekämpfen. Was heißt das? Wird mit deutschem Steuergeld bald die italienische Airline Alitalia saniert, die lange vor der Krise schon bankrott war? Wer stellt sicher, dass die Kredite nicht in maroden Pleite-Firmen versumpfen? Die Deutschen sind bereit, ihren Teil zu leisten, um Europa aus der Corona-Krise zu holen. Aber nur, wenn sie den Maßnahmen vertrauen können.“
Solidarität hat gesiegt
Das Hilfspaket ist zwar längst nicht ausreichend, aber ein lobenswerter Fortschritt, freut sich Le Soir:
„In diesen düsteren Zeiten muss man vor allem hervorheben, wie sich die 27 Staaten zusammengerauft haben; dass diese 500 Milliarden Euro oder sogar mehr möglich sind, aber auch der Bruch mit dogmatischen Tabus: Aussetzung des Stabilitätspakts, Vorschlag für eine Kofinanzierung der Kurzarbeit, etc. Und das alles innerhalb von knapp zwei Wochen! Es ist mehr nötig als der Inhalt dieser Einigung, um weiterhin an ihre gute Absicht zu glauben. Aber diese Etappe lässt die europäische Waage erneut zugunsten der Solidarität neigen. Die Populisten mit ihrem Wunsch, die EU zu zerstören und die Chinesen, die mit ihr kurzen Prozess machen wollten, sehen wahrlich alt aus.“
Sparzwang wird sich durchsetzen
Bereits verschuldete Staaten sollen erleichterten Zugang zu Krediten aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus erhalten. Langfristig keine gute Lösung, ist Večer überzeugt:
„Weil es keine Corona-Bonds geben wird, die eine gemeinsame Verschuldung auf EU-Ebene ermöglichen würden, werden die Länder, die am stärksten von der Coronavirus-Epidemie getroffen wurden, beim Euro-Rettungsschirm ESM um Hilfe bitten. Dann werden sich die Deutschen gemeinsam mit ihren Verbündeten in neuen Marathonverhandlungen und Nachtsitzungen verschiedene Bedingungen für die Gewährung dieser Kredite ausdenken. Dies werden neue Sparmaßnahmen sein, die wieder mal den am stärksten betroffenen Ländern und den verwundbarsten Bürgern hart zusetzen werden.“
Komplexe Konflikte nicht auf Zweikämpfe reduzieren
Die strikte Haltung der Niederlande bei den Verhandlungen um die Kreditbedingungen für Staaten kommt vor dem Hintergrund der laxen Steuerpolitik des Landes besonders schlecht an, erläutert Massimo Riva in seiner Kolumne in La Repubblica:
„Angeblich bereitet unser Außenministerium ein umfangreiches Dossier über Steuerparadiese vor, die in der EU seit Jahren ungestört gedeihen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen in die Verhandlung über die durch die aktuelle Pandemie ausgelöste Krise eingebracht werden. Es ist klar, dass die Initiative vor allem ein Land im Visier hat: die Niederlande. ... Es wäre allerdings gut, wenn der Schritt des Außenministeriums nicht in eine Art Derby zwischen Rom und Den Haag münden würde. Die Frage des Steuerdumpings innerhalb der Union ist ein zu ernstes und schwerwiegendes Problem, als dass man es auf einen Zweikampf reduzieren könnte.“
Schuldenerlass statt Schuldenberg
Die Ökonomen Baptiste Bridonneau und Laurence Scialom raten in Le Monde, für einen Politikwechsel auf ein anderes Gremium als die EU zu setzen:
„Im Gegensatz zur Einführung von europäischen Gemeinschaftsbonds, die Einstimmigkeit erfordern, erfolgt der Erlass von Staatsschulden durch die EZB über eine Währungspolitik, die mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wird. … Es wäre nicht das erste Mal, dass der EZB-Rat eine Entscheidung ohne Konsens trifft: Die Anleihekäufe von 2012 wurden ohne Zustimmung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann durchgebracht. ... Angesichts der Wirtschafts- und Umweltkrise heute kann es vielleicht erneut nötig sein, das Kräfteverhältnis zugunsten der Befürworter eines Politikwechsels anstatt derer des Status Quo zu ändern. Die EZB würde die Eurozone einmal mehr vor ihren Dämonen retten.“