Wahl in Serbien: Rückenwind für Präsident Vučić

Bei der Parlamentswahl in Serbien hat die konservative Fortschrittspartei SNS von Präsident Aleksandar Vučić mit rund 63 Prozent der Stimmen ihre Dominanz deutlich ausgebaut. Sie kommt nun auf voraussichtlich 189 von 250 Sitzen, bislang hielt sie 131 Mandate. Die SNS regiert seit 2012 und hatte während der Corona-Krise an Popularität gewonnen. Was bedeutet der Wahlausgang für den Balkanstaat und sein Staatsoberhaupt?

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Népszava (HU) /

Willkommen im Klub der Illiberalen

Népszava kommen die Entwicklungen in Serbien unangenehm bekannt vor:

„Diese Parlamentswahl hat deutlich gemacht, wie ausgezeichnet das ungarische Rezept auch in unserem Nachbarland funktioniert. Die bewusste Spaltung der Gesellschaft, die Abschaffung der Gewaltenteilung, die Umgestaltung der Medienlandschaft nach den Vorstellungen und Interessen der Regierung und das Einschwören der etwa 2 Millionen Regierungsanhänger reichen aus, um eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zu erreichen. ... Um eine [nationale] Einheit geht es aber gar nicht. Dazu hat auch die serbische Opposition beigetragen, die keine glaubwürdige Alternative anbieten kann und kein wirkliches Programm hat. ... Die große Frage wird sein, ob Belgrad von seinem Weg in die EU endgültig abweicht und eher den Osten wählt.“

Radio Europa Liberă (RO) /

Frei und gestärkt in die Kosovo-Verhandlungen

Dass Vučić nach seinem Wahlsieg noch vor den für Ende des Monats geplanten Gesprächen mit den USA und Kosovo nach Moskau reist, zeugt von Selbstvertrauen, analysiert Radio Europa Liberă:

„Die amerikanische Initiative schließt sowohl die EU als auch Russland aus den Verhandlungen aus. Vučić, der eine Teilnahme an den Verhandlungen in Washington mit Vertretern des Kosovo zugesagt hat, wird vorher aber Moskau einen Besuch abstatten - am [heutigen] Dienstag. Der serbische Präsident ist sich nach dem entscheidenen Sieg bei den Wahlen am Sonntag seiner sehr sicher. Der Wahlsieg lässt ihm in vielerlei Hinsicht freie Hand, einschließlich in den Verhandlungen zu Kosovo, der ehemaligen südlichen Provinz des Landes.“

Handelsblatt (DE) /

Wirtschaftlich geht nichts ohne die EU

Das Handelsblatt relativiert Vučićs Stärkeposition:

„Serbien mit seinem zunehmend autoritären System befindet sich nicht auf dem Weg nach Europa. Doch wirtschaftlich führt an der EU und ihren Mitgliedstaaten kein Weg vorbei. Das weiß Vučić. Allein das kleine EU-Land Österreich steht für zehn Prozent aller Direktinvestitionen. Zum Vergleich: Die Großmächte China und Russland kommen nur auf zwei beziehungsweise fünf Prozent. Diese Realitäten können politische Folgen haben, wenn die EU mit mehr Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen gegenüber Belgrad auftritt. Denn in diesem Jahr erlebt das Balkanland im Zuge der Pandemie ein wirtschaftliches Waterloo. Serbien braucht daher dringend Unterstützung aus dem Ausland.“

Delo (SI) /

Dialog mit Priština könnte zum Schlüssel werden

Mit einer starken neuen Regierung rechnet Delo:

„Ihre Priorität wird darin bestehen, den Dialog Belgrads mit Priština fortzusetzen, obwohl weder in Serbien noch im Kosovo ein gesellschaftlicher Konsens über eine endgültige Lösung des jahrhundertealten serbisch-albanischen Konflikts besteht. Dies könnte dann eine gute Grundlage sein für die Lösung einer ganzen Reihe von Problemen in der Region. … Auf die gespaltene Opposition wartet die Suche nach einem neuen Anführer, der nicht durch die politische Vergangenheit belastet ist. ... Die meisten Akteure gehören zu den Verwaltern des Erbes des verstorbenen serbischen Führers Slobodan Milošević.“

Telegram (HR) /

Es riecht bereits nach Meuterei

Telegram.hr glaubt, dass der Wahlsieg den Anfang vom Ende des Regimes markieren könnte:

„Nach dem Sieg muss Aleksandar Vučić, der Mann, der alle politischen und gesellschaftlichen Prozesse in Serbien unter seine absolute Kontrolle gebracht hat, sich mit ernsten Problemen auseinandersetzen, die ihn bald spektakulär die Macht kosten werden. ... Zur Unzufriedenheit mit der Lösung der Kosovo-Frage kommt die Armut hinzu, die sich durch die Coronakrise und Vučićs irrationales Benehmen gegenüber der Gesellschaft noch verschärfen wird. ... Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Gemengelage eine Meuterei bewirken wird, die Vučić entfernen wird.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Nicht von Vučić erpressen lassen

Für den Tages-Anzeiger hat Serbien höchstens noch den oberflächlichen Anstrich einer Demokratie:

„Die US-Organisation Freedom House, die den weltweiten Pegelstand von Demokratie und Menschenrechten misst, stufte Serbien im jüngsten Bericht als 'hybrides Regime' ein, also weder ganz Demokratie noch Diktatur. ... [D]er Populist Vucic gefällt sich in der Rolle des Erpressers: Wenn die EU Serbien und die anderen Balkanstaaten nicht aufnimmt, so seine Botschaft, dann wenden sie sich an lupenreine Demokratien wie China, Russland oder die Türkei. Die Unterdrückung der Uiguren und die Abschaffung der Autonomie Hongkongs durch Peking begrüsst Belgrad ausdrücklich. Für die EU wird sich bald die Frage stellen, ob der serbischen Bevölkerung gedient ist, wenn sie mit der korrupten Regierungsclique über den Beitritt verhandelt.“