Was tun gegen die hohen Energiepreise?
Dass Energie in Europa in den letzten Monaten immer teurer geworden ist, hat vielfältige Ursachen: Unter anderem den Emissionshandel, den Atomausstieg, dazu der Konflikt mit Russland und der damit verbundene Preisanstieg für russisches Gas. Für die Verbraucher wird es zunehmend eng. Die EU-Kommission will nun den gemeinsamen Einkauf von Erdgas ermöglichen. Was sonst noch getan werden müsste, erörtert Europas Presse.
Das mittlere Einkommen ist viel zu niedrig
Die estnische Regierung will die Stromkosten für alle Haushalte kompensieren, deren Einkommen unter dem Mediangehalt von 1.052 Euro liegt - das betrifft 46 Prozent der Bevölkerung. Õhtuleht findet das einfach krass:
„Eigentlich wollen Menschen keine Unterstützungsanträge ausfüllen, sondern mit dem eigenen Gehalt auskommen. Das Mediangehalt sollte eine Summe sein, die auf jeden Fall die Grundbedürfnisse deckt und von der man auch so viel sparen kann, dass ein paar Monate mit außerordentlicher Stromrechnung nicht dazu zwingen, um Hilfe zu bitten. Warum ist ein Medianverdiener eher ein Armer als ein Bürger, der klar kommt? Was ist der Plan der Regierung, damit in Zukunft nicht das halbe Estland mit der Stromrechnung in der Hand um Hilfe bitten muss?“
Riga muss jetzt die richtigen Prioritäten setzen
Die lettische Regierung beschäftigt sich ausschließlich mit Corona, kritisiert Neatkarīgā:
„Jetzt sind andere Maßnahmen erforderlich: Zahlungsaufschub, Zuschüsse. Diesmal brauchen nicht nur die Ärmsten die Unterstützung, sondern auch andere Teile der Gesellschaft. Im Winter steigt der Stromverbrauch: Wäsche waschen für Kinder, häufiger Tee trinken, Elektroheizung einschalten, wenn draußen mehr als minus 15 Grad sind. Leider beschäftigt sich die Regierung von Krišjānis Kariņš mit ganz anderen Problemen: Die Impfquote und wie man Senioren in gut und schlecht unterteilt. Die Geimpften bekommen 20 Euro im Monat, die Ungeimpften nicht. In der Zwischenzeit sind diese 20 Euro zu Nichts geworden - denn sie sind zu wenig, damit ein Rentner den Winter überstehen kann.“
Vorsicht mit politischen Statements
Dass der Gaspreis nun noch einmal gestiegen ist, hat auch die neue deutsche Außenministerin zu verantworten, meint Strana:
„Am 12. Dezember erklärte Annalena Baerbock, dass Nord Stream 2 gegen das EU-Energierecht verstoße und daher nicht in Betrieb genommen werden könne. ... Der Markt reagierte sofort mit einem Anstieg des Gaspreises. Von 1.260 Dollar pro tausend Kubikmeter vor der Ankündigung auf 1.400 Dollar danach. Noch ein paar solcher Erklärungen und der Preis wird wieder einen Höchststand von 2.000 Dollar erreichen. Mit ihrer Panikmache arbeitet die Ministerin also objektiv im Interesse von Gazprom.“
Ohne Atomkraft keine europäische Autonomie
Schwedens Außenministerin Ann Linde hatte vor dem Treffen der EU-Außenminister am Montag gesagt, die Kollegen müssten viel mehr über Energie lernen, denn Energie und Außenpolitik hingen zusammen. Der liberale Politiker Jan Björklund ist in Expressen erleichtert:
„Besser spät als nie, kann man zu dieser Erkenntnis sagen. Anderen war das schon lange klar. Genau darum haben wir vor der verantwortungslosen deutschen Kernkraftabwicklung gewarnt, die unausweichlich zu dieser ungesunden Abhängigkeit [von russischem Gas] führt. ... Für die rot-grüne [schwedische] Regierung war die deutsche Energiewende hingegen ein Vorbild. Man hat sich geweigert, den Zusammenhang zwischen Kernkraft und einer fortgesetzten außenpolitischen Autonomie in Europa zu sehen.“
Bitte nicht beim Emissionshandel verkämpfen!
Polen will sich beim heutigen Gipfeltreffen des Europäischen Rates für eine Reform des europäischen Emissionshandels stark machen. Für Rzeczpospolita sind das die falschen Prioritäten:
„Wenn der Premier seine europäischen Partner davon überzeugt, wesentliche Änderungen am Emissionshandelssystem vorzunehmen, könnte Polen eine Gelegenheit verpassen, den Rest seines politischen Kapitals für wichtigere Änderungen der EU-Energiepolitik zu nutzen. ... Anstatt gegen das Emissionshandelssystem zu kämpfen, sollte Polen den Anstieg der Energiepreise nutzen, um andere Forderungen durchzusetzen, zum Beispiel eine größere Unabhängigkeit der EU von russischen Gaslieferungen oder eine Aufstockung der EU-Mittel zur Unterstützung derjenigen, die die größten Kosten der Energiewende tragen werden.“